Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Als sie sahen, dass die andere Tür offen stand, nahmen sie selbstverständlich an, dass ich meine Flucht in dieser Richtung fortgesetzt hatte – und so rannten sie zur Tür hinüber und stürmten allesamt hindurch. Bald verhallte das Geräusch ihrer fliegenden Füße nach und nach auf dem langen Korridor. Yotai Yun und der Lama folgten ihnen im Laufschritt, aber ihre Untergebenen hatten sie in ihrem rasenden Wahn abgehängt. Ich grinste zufrieden – alles verlief so, wie ich es mir erhoffte.
Die beiden standen bereits an der offenen Tür, als ich hinter dem Teppich hervorsprang und brüllte: »Dreh dich um, du Schwein, und sieh deinem Schicksal ins Gesicht!«
Obwohl ich sie völlig überrascht hatte, feuerten sie geistesgegenwärtig, als sie sich umdrehten. Ich hörte das Krachen ihrer Schüsse und spürte, dass die Kugeln mich trafen, aber ich schoss ebenfalls auf sie, und bald sank der Lama wie ein leerer Sack zu Boden, wo er reglos liegen blieb. Yotai Yun wich zurück, als habe ihn ein unsichtbarer Hammer getroffen, krallte sich mit einer blutigen Hand an einem Wandteppich fest, feuerte seinen letzten Schuss aus nächster Nähe auf mich ab. Als ihn meine vierte Kugel durchbohrte, krachte er zu Boden und blieb zuckend liegen.
Ich wusste, dass ich voller Blei steckte – auf diese kurze Entfernung konnte man nur schwer danebenschießen. Mein linkes Bein fühlte ich kaum noch, mein linker Arm und meine linke Schulter waren in kürzester Zeit fast völlig steif geworden, und aus meiner Brust tropfte Blut. Ich hörte, dass die Chinesen mit lautem Gebrüll und klirrenden Waffen über den Korridor zurückkamen. Sie hatten die Schüsse gehört und waren umgekehrt. Nun musste ich ihnen gegenübertreten – ein Krüppel mit halb leerer Pistole. Ich grinste gehässig, aber freudig. Ich hatte mein Ziel erreicht: Meine Feinde lagen leblos zu meinen Füßen – Bill Lannon war gerächt. Ich hatte diese Schuld beglichen und verspürte keinerlei Bedauern. Früher oder später müssen wir alle sterben.
Die wilde Meute stürzte heulend durch die Tür, und ich hielt mich an einem Wandteppich fest und feuerte mitten hinein, bis meine Waffe leer war. Als der Vorderste langsam zu Boden fiel, zogen die anderen sich erschrocken zurück. Ich konnte sie vor der Kammer hektisch flüstern hören, vernahm das Trappeln ihrer Pantoffeln und das Rasseln ihrer Klingen. Ich wurde immer schwächer, und mein linker Arm fühlte sich bereits tot an. Um wieder einen klaren Gedanken zu fassen, schüttelte ich meinen Kopf, sodass das Blut nur so spritzte.
»Kommt endlich und bringt die Sache zu Ende, ihr asiatischen Teufel!«, brüllte ich, da ich fürchtete, sie würden mich wie ein Schaf abschlachten, wenn sie sich nicht demnächst auf mich stürzten, denn bald würde ich mich vor Schwäche nicht mehr wehren können.
Plötzlich wimmelte es im Raum vor Männern. Sie drangen jedoch durch die andere Tür herein. Einer kam auf mich zu und ich schlug wie wild mit meiner leeren Pistole auf ihn ein, bis ich sah, dass er die Uniform der chinesischen Polizei trug.
»Ruhig, mein Freund«, sagte er beschwichtigend. »Wir sind Freunde – erkennst du mich denn nicht?«
»Du bist das, Kang Yao«, entgegnete ich benommen. »Entschuldige – aber da ist überall Blut in meinen Augen … Ich muss mich setzen.«
Ich stolperte und er führte mich zu einem Diwan. Als ich mich umblickte, sah ich, dass das Zimmer voll von chinesischen Polizisten und Soldaten war. Sie hatten Yotai Yuns Diener zusammengetrieben und gefesselt, und nun standen sie verdrießlich und resigniert im Raum. Kang Yao beugte sich zu den beiden Verschwörern hinunter. Der Schwarze Lama war nur einmal getroffen worden, er war jedoch mausetot. In Yotai Yuns Körper steckten drei Kugeln, aber er war noch immer bei Bewusstsein.
Sein Blick fiel auf den reglosen Körper seines Komplizen, und seine blassen Lippen verzogen sich zu einem hämischen Lächeln.
»Ein einziger Mann kann ein ungeborenes Weltreich zerstören«, flüsterte er. »Wir haben über den Schwarzen Bären gelacht – aber der Schwarze Bär hat uns beide geschlagen – und – die – Träume – von – einem – neuen – Weltreich – sterben – durch – seine – Rache …«
Blut quoll über seine Lippen, dann starb er.
»Lass mich deine Wunden versorgen, ehrwürdiger Freund«, bot Kang Yao an.
»Sie haben mich am Bein, am Arm und an Schulter und Brust erwischt«, murmelte ich. »Aber es ist nichts Ernstes. Aber sag mir
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