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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Angst ihren Milchfluss zum Erliegen brachten. Und dann? Was würde aus dem Kind werden?
    »Ihren Gatten?«, wiederholte er.
    »Den Gatten der Demeana. Ihr mögt zwar beteuern, nicht mit ihr geschlafen zu haben, aber sie glauben Euch nicht. Sie haben beschlossen, Euch nicht zu glauben.«
    Ein Gatte … Ja, den konnte man der Menge auch sehr gut vorführen. Seht! Die menschlichen Helfer der Demeana! Wir haben ihre Komplizen!
    »Ihr Gatte. Offensichtlich … muss ich mich mit allen damit einhergehenden … Ungelegenheiten herumschlagen … ohne je etwas … von den guten Seiten gehabt zu haben«, brachte Arekh heraus; er unterbrach sich mehrfach, um gegen Wellen des Schmerzes anzukämpfen. Wenn Lionor auch diesmal lächelte, sah er es nicht. »Wie … und wann haben sie Euch gefangen genommen?«
    Das Kind ließ die Brust los und stieß ein keuchendes, kaum hörbares Wimmern aus. Es wirkt so schwach , dachte Arekh. Die kleinen Ärmchen waren so mager.
    »Sie … sie wollen ihn mir wegnehmen«, sagte Lionor mit fiebrigem Blick. »Wenn sie mir bisher erlaubt haben, ihn zu behalten, und ihn noch nicht getötet haben, dann nur, um ihn mir später entreißen zu können. Um ein letztes Druckmittel zu haben. Sie finden Vergnügen daran, mir Angst zu machen, ihre Klingen an den Kleinen heranzuführen … Und wenn … und wenn …«
    Sie brach ab, und Schweigen senkte sich über die Zelle.
    Erst nach einer ganzen Weile begann Lionor wieder zu sprechen. »Sie haben mich an der Grenze in der Nähe von Steinstadt festgenommen. Ich wollte zurück nach Lôna … Das ist das Gut meines Mannes im Süden von Harabec. Aber Laosimba hatte meine Verhaftung verlangt,
und sie hatten meinen Steckbrief … Sie wollen alle, die Marikani je auf die ein oder andere Weise berührt hat …«
    Arekh nickte. »Sie werden uns nicht töten«, sagte er. Er war heiser und versuchte sich zu räuspern. Nur ein paar Peitschenhiebe, und schon begehrte sein Körper auf. »Sie wollen uns als Druckmittel oder als Geiseln für den Fall, dass …«
    »Sie stellen mir Fragen«, sagte Lionor und wiegte das Kind, das wieder zu weinen begonnen hatte. »Fragen über Marikani … über ihre Kindheit, ihren Charakter, ihre Freunde, ihre Verbündeten. Über Harabec und alles, was ich über den Hofstaat weiß …« Sie wandte sich Arekh zu und sah ihn an, ein entsetzliches Leuchten in den Augen. »Aber ich habe ihnen nichts gesagt! Nichts! Sie können alles versuchen, mir alles Beliebige antun … Ich werde nichts sagen! «
    Arekh starrte sie mit offenem Mund an; Lionor wiegte das Kind in einem seltsamen Rhythmus und wiederholte mit brüchiger Stimme: »Nichts … nichts … nichts …«
    »Lionor«, sagte Arekh schließlich, entsetzt von dem Wahnsinn, der aus ihren Augen leuchtete. Er zwang sich, sich aufzurichten, obwohl sein aufgerissener Schenkel schmerzte und die Muskeln seines Rückens sich wie eine einzige Wunde anfühlten. »Lionor, sagt ihnen alles! Alles, was sie hören wollen! Das spielt keine Rolle! Wenn Ihr Euch unnötige Qualen ersparen könnt, dann redet. Hört gar nicht auf zu reden, ertränkt sie mit Worten, nennt ihnen die Namen sämtlicher Statuen in Harabec und all der Schwachköpfe, mit denen Marikani je getanzt hat, beschreibt ihnen bis in alle Einzelheiten jede noch so kleine Perle ihres Hochzeitskleids … Schwört der Demeana
so oft ab, wie sie es verlangen. Gebt ihnen, was sie wollen, es sind doch nur Worte! Bei Fîr«, flüsterte er, bevor ihm aufging, welche Ironie darin lag, die Götter anzurufen, »bei allem, was recht ist, Lionor - es ist unnütz, so zu leiden.«
    »Ich werde Marikani nicht verraten«, sagte die junge Frau heiser. Sie wiegte sich mittlerweile selbst vor und zurück, den Blick auf den Felsen gerichtet.
    »Aber Ihr verratet doch überhaupt nichts!«, raunte Arekh. »Wenn …«
    Er unterbrach sich, weil er plötzlich begriff, was er schon viel früher hätte bemerken sollen, wenn die Schmerzen und die Reste der Drogen ihn nicht so benommen gemacht hätten. Wenn Lionor und er in dieselbe Zelle geworfen worden waren, dann sicher, damit sie sich unterhielten. Sie würden ausspioniert werden, das musste einfach so sein. Ein Soldat oder ein Schreiber im Dienste der Seelenleser presste bestimmt das Ohr an einen zu diesem Zweck eingerichteten Luftschacht und hatte die Feder bereits in der Hand, um alles aufzuschreiben, was sie einander erzählten.
    Arekh hob den Kopf, suchte an der Decke und an den Wänden nach einem Bereich tieferen

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