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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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über Wurzeln und Baumstümpfe, und ihre Füße sanken in die feuchte Erde ein. Dann drehte sie sich erstaunt um.
    Bara war stehen geblieben.
    Er verharrte reglos zwischen den ersten Eichen. Schaute, horchte.

    Sehr aufrecht.
    Sehr blass.
    Marikani ging zu ihm hinüber und warf ihm einen fragenden Blick zu.
    Bara sah nach Westen, zu den Bergen hinüber. Er hob die Hand und bedeutete Marikani zu lauschen.
    Nichts.
    Kein Geräusch. Nicht einmal das Knacken eines Zweiges, der Ruf eines Vogels oder das Zirpen eines Insekts.
    Kein Windhauch.
    Es herrschte völlige Stille.
    »Eine Patrouille?«, flüsterte Marikani.
    Dann hörte sie das Geräusch.
    Wie ein Tosen, eine Flut, ein fernes, dumpfes Donnern gerade noch innerhalb ihrer Hörweite.
    Das Donnern wurde lauter, und Bara packte sie bei der Hand und zerrte sie nach Norden. Sie rannten geradeaus, ohne auch nur anzuhalten, um Atem zu holen, sprangen stumm über Äste und umgestürzte Bäume. Sie rannten so eine halbe Meile, spürten den Donner lauter werden - und immer tiefer, immer schwerer.
    Schließlich machten sie halt, um noch einmal zu lauschen.
    Die Erde zitterte.
    »Wir werden nicht an ihnen vorbeikommen«, stieß Bara leise hervor. »Schnell!«
    Er kletterte auf die untersten Äste eines gewaltigen Süßgrasbaums und streckte die Hand aus, um Marikani hinaufzuziehen. Gemeinsam kletterten sie immer höher, bis sie von den verschlungenen Zweigen und den großen grünen Blättern, die mit Grau durchzogen waren, verborgen wurden.

    Hand in Hand pressten sie sich nahe an den Stamm und warteten.
    Sie kamen erst in Zehnergruppen, dann zu Hunderten, schließlich zu Tausenden. Ein Meer von schwarz, ockerfarben und beige gekleideten Männern, denen langes schwarzes Haar über die Schultern fiel. Sie hatten keine Uniformen, doch sie trugen breite Schwerter, Äxte, Kettenhemden und Lanzen. Die Reiter führten ihre Pferde am Zügel und umringten die Fußsoldaten. Wie ein Sturzbach, der den Hang hinabfließt, eilten sie von den Gipfeln in die Ebenen, auf die Königreiche zu, die auf sie warteten. Zehntausende von Kriegern, schweigend.
    Die Sakâs hatten die Berge überschritten.

ZWEITES BUCH
    REYNES

KAPITEL 7
    »Rückzug! Rückzug!«, schrie Harrakin, während die Sakâs den alten Torbogen stürmten, der vor dreihundert Jahren die Grenze des Fürstentums Sashi markiert hatte.
    Einer seiner Offiziere galoppierte mit blutüberströmtem Gesicht an ihm vorbei, gefolgt von dreißig Reitern, die alle aus Harabec stammten. Harrakin setzte sein Pferd in Trab und ritt die Reihe der Männer aus Reynes entlang, die zurückwichen, sich an das Steinmäuerchen zurückzogen, das die Nordgrenze des Lagers bildete. Nur dreißig Reiter? Mindestens hundert hatten sich an vorderster Front den Sakâs entgegengeworfen, die von Nordwesten heranstürmten, und versucht, sie davon abzuhalten, die Hügel zu überschreiten. Dann hatte eine zweite Gruppe von Feinden von Süden angegriffen, und wenn die Reiter sich nicht zurückzogen, würden sie zwischen zwei Fronten eingekeilt werden.
    Die weißbraunen Silhouetten der Nâlas aus dem Emirat galoppierten an Harrakin vorbei; sie kehrten zum Lager zurück, um es zu verteidigen. Der Abend senkte sich herab, und es begann zu regnen. Es herrschte schlechte Sicht, und die Sakâs drohten davon zu profitieren, dass
sie höher gelegene Stellungen hielten und so einen besseren Überblick über das große Ganze hatten.
    Harrakin ritt weiter am Strom der Soldaten entlang und fand sie endlich - den Rest der Reiter aus Harabec, die am Fuße eines Hügels den Feinden, die sie doch zurückwerfen sollten, kaum etwas entgegenzusetzen hatten. Die Schlacht tobte, und nichts deutete auf Rückzug hin. Der Befehl, sich zurückzuziehen, war nicht bis zu ihnen durchgedrungen.
    »Lasst die Armbrustschützen schießen!«, sagte eine Stimme neben ihm. »Arrethasfeuer!«
    Harrakin drehte sich um. Neben ihm saß Laosimba auf seinem großen, grauen Aessi und verfolgte die Schlacht. Sein langes schwarzes Haar war schweißgetränkt; das Hemd klebte ihm am Kettenpanzer.
    » Was ?«, schrie Harrakin und fragte sich, ob er sich verhört hatte.
    »Arrethasfeuer!«, brüllte Laosimba und deutete auf die Armbrustschützen von Harabec, die hinter der kleinen Mauer Aufstellung genommen hatten und bereit waren, jeden zu töten, der die Verteidigungslinien zu überrennen drohte.
    Dann wies er aufs Schlachtfeld, auf dem die Reiter aus Harabec, die halbherzig von etwa dreißig Rekruten aus Reynes

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