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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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versteckt hielten, die von den Sakâs geschleift worden war.
Sie sagten, Ayesha zöge nach Kiranya und ins Ödland. Sie würden sich ihr anschließen, sobald sie genug Flüchtlinge getötet und ausgeplündert hätten, um den Grundstock zu einem kleinen Vermögen gelegt zu haben.
    Sie hatten Non’iama vorgeschlagen, sich ihnen anzuschließen, aber sie hatte abgelehnt.
    Die Sklaven aus dem Handelshof hatten sich mit Holzkohle Löwenmasken auf die Gesichter gemalt. Ayesha sah Löwen, das hatten sie ihr erklärt; sie wussten es von einer Frau, die es von einer anderen Frau gehört hatte, die mit Ayesha durch die Wälder gezogen war, bevor sie aufgegeben hatte, weil sie schwanger und zu erschöpft gewesen war. Auch im Emirat liefen Gerüchte um. Es hieß, dass Ayesha in Löwengestalt mit einem treuen Gefährten durch Faez gezogen sei und eine Spur des Feuers und der Verzweiflung hinter sich zurückgelassen habe - nur neun Tage bevor die Stadt den Sakâs in die Hände gefallen war.
    Neun war eine heilige Zahl. Das war ein Zeichen.
    Als Non’iama den Handelshof verlassen hatte, hatte sie sich eine Löwin aufs Gesicht gemalt.
    Eine Woche später hatte sie hinter der Mauer eines alten Bauernhofs versteckt mit angesehen, wie ein Händler und seine Familie von einem Trupp berittener Banditen niedergemetzelt worden waren. Die Räuber hatten ihre Opfer getötet, bevor sie sich den Inhalt ihres Karrens geteilt hatten. Es war seltsam gewesen: Die Bande hatte sowohl aus Freien als auch aus Sklaven bestanden. Zunächst hatte Non’iama ihren Augen nicht getraut: Mehrfach hatte sie sich gefragt, ob sie nicht träumte. Blonde und dunkelhaarige Männer in derselben Bande - und zwar keine Mischlingssklaven, nein, sondern Männer
mit fast schwarzer Haut und goldbraunen Augen, wie sie in den guten Familien des Emirats oder in Reynes auftraten. Verbündet mit Männern des Türkisvolks.
    Staunend hatte Non’iama zugesehen, wie sie die Kaufleute ermordet hatten; dann hatten sie die Arme zum Himmel gehoben und geschrien: » Ayesha! Vernichtung! Sing das Todeslied der Kinder des Gottes, dessen Namen man nicht nennt! «
    Die linke Gesichtshälfte der Banditen war leuchtend blau bemalt gewesen. Non’iama hatte noch beobachtet, wie sie die Leichen ihrer Opfer verbrannt hatten, und sich dann unauffällig davongeschlichen.
    Am folgenden Tag hatte sie Châ -Steine in einem Fluss gesammelt. Sie waren brüchig und blau. Nach kurzem Nachdenken hatte Non’iama sie zerrieben und das so gewonnene Pulver mit Öl vermischt, das sie in den Ruinen eines Bauernhofs gefunden hatte. So hatte sie eine Art Paste hergestellt. Langsam hatte sie sich mit dem Zeigefinger die linke Gesichtshälfte bemalt.
    Und so hatten die Sakâs sie gesehen, als sie zu den Ruinen eines kleinen Fîr-Tempels auf dem Hügel hinaufgestiegen war: ein kleines Mädchen mit blondem Haar, das von den Wettereinflüssen so ausgebleicht war, dass es fast weiß wirkte. Schmutzig, mager, verwildert, Gesicht und Hände wettergegerbt und sonnenverbrannt. Sie waren näher gekommen, drei Soldaten, Schwerter und Äxte in der Hand, und das kleine Mädchen hatte sie schließlich gehört und sich zu ihnen umgedreht. Die Sonne hinter ihr war in den Ruinen untergegangen, und die letzten Strahlen hatten ihr halb gebräuntes, halb blaues Gesicht in wildes Licht getaucht.
    Sie floh nicht, als sie sie kommen sah.

    Ein wenig enttäuscht - denn schließlich war es lustiger, wenn Frauen und Kinder schrien, weinten und sich vor Entsetzen bei ihrem Anblick übergaben - waren die Sakâs langsamer geworden und dann stehen geblieben.
    Der Älteste von ihnen, der schon an der Plünderung von Faez teilgenommen hatte, wandte sich einem seiner Kumpane zu und bedeutete ihm zu warten. Rhô, der dritte im Bunde, schlug einen Bogen und stieg den Hügel hinauf, um das kleine Mädchen von der Seite zu attackieren. Rhô war ein junger Rekrut und hatte noch nicht viel Erfahrung. Wenn die Kleine wild war, sollte er sich doch mit ihr auseinandersetzen. Das würde eine gute Übung für ihn sein.
    Rhô sah den alten Sakâs an; dieser bedeutete ihm anzugreifen.
    Rhô ging weiter auf das Mädchen zu.
    Mit einem Schrei stürzte sie den Abhang hinab, um ihm entgegenzutreten. Sie trug eine Waffe in der Hand, ein grobes Messer mit Holzgriff und einer Klinge, wie man sie nutzte, um Schafe zu schlachten. Die behelfsmäßige Waffe funkelte im Licht des Sonnenuntergangs, der auch das blonde Haar des Kindes erstrahlen ließ. Überrumpelt

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