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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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werden würde. Er küsste sie auf die Lippen, auf die Augen, auf den Hals.
    »Er hat seine Wahl getroffen.«
    Marikani starrte ihn verblüfft an.
    »Ihr seid nicht für seinen Tod verantwortlich. Wir alle treffen Entscheidungen aus freiem Willen. Er hat sie wohlüberlegt getroffen. Das würde er Euch selbst auch sagen, davon bin ich überzeugt. Ihr beleidigt ihn, wenn Ihr Euch schuldig fühlt.«
    »Woher weißt du das?«, flüsterte Marikani. »Wachst du über meine Träume, Bara?«
    »Das täte ich gern«, sagte er schlicht. Dann schüttelte er den Kopf. »Aber das hier war nicht schwer. Ihr habt nicht aufgehört, an ihn zu denken, seit wir Faez verlassen haben.«
    Ein ganz anderes Schuldgefühl überkam Marikani. Sie verscheuchte Arekhs Bild aus ihrem Verstand und zwang sich, den Mann anzusehen, der hier und jetzt bei ihr war. Auf ihrem Lager. Sie empfand jedes Mal widersprüchliche
Gefühle, wenn sie Bara nackt sah: Er war so stark und drahtig. Sein Körper war so … roh , dachte sie, ohne das rechte Wort zu finden.
    Vor ihm hatte Marikani nur Adlige des Hofs von Harabec als Liebhaber gehabt: junge Leute mit brauner Haut und goldbraunen Augen, mit langgliedrigen, geschmeidigen Körpern und eleganten Muskeln. Bäder, Massagen und gute Ernährung schenkten ihnen eine glatte, seidige Haut. Wie Harrakin. Er war ein so schöner Mann, dass die Hofdamen ihn mit Blicken verschlangen, wenn er unter den Säulen hervortrat, um Verella zu huldigen.
    Bara war … anders. Seine Haut war bleich und an manchen Stellen vom Scheuern seines Kettenhemds gerötet. Sein Körper war von Narben gezeichnet, die von Schwerthieben, aber auch von den Stockschlägen und Peitschenhieben seines Herrn stammten, als solle er immer an seine frühere Stellung erinnert werden. Sein Gesicht war sehr kantig und hart … und dennoch … Trotz der Rohheit seines Äußeren gehörte er ihr und war ihr ergebener, als ein anderer Mann es je gewesen war.
    Sie hatte ihn völlig in ihrer Gewalt. Sie konnte ihn mit einem Wort, einer Bewegung oder mit dem kleinsten Stirnrunzeln zerschmettern, ja, schon mit dem geringsten vorwurfsvollen Blick.
    War das angenehm? Sie wusste es nicht. Selbstverständlich war es berauschend, solche Macht zu haben, aber es wäre ihr lieber gewesen … Was wäre ihr lieber gewesen? Dass sie ein natürlicheres Verhältnis zueinander gehabt hätten vielleicht?
    Es wäre ihr lieber …
    »… wenn du keine Lüge lieben würdest«, sagte sie laut.

    Bara schüttelte den Kopf, ohne überrascht zu wirken, als hätte er wieder einmal ihren inneren Monolog mit angehört. »Dem ist nicht so«, sagte er sanft. Dann musterte er sie eine ganze Weile und fügte schließlich hinzu: »Er fehlt Euch.«
    Und bei diesen Worten stieg Arekhs Bild wieder in ihr auf, nachdem es ihr gerade gelungen war, es für einige Augenblicke unter einer dicken Schicht nebensächlicher Gedanken zu begraben.
    Bara betrachtete sie noch immer mit schmerzerfüllten Augen. »Wenn Ihr mich anseht, dann bedauert Ihr, dass ich nicht sein Gesicht trage.«
    »Nein!«, protestierte sie. »Ich meine …«
    Langes Schweigen trat ein.
    »Es tut mir sehr leid«, sagte sie schließlich.
    Bara zuckte die Achseln und stand auf. Er machte einige Schritte über den Marmorboden und ging im Zimmer auf und ab, bevor er stehen blieb und Marikani ansah. »Das ist nicht wichtig«, erklärte er und beugte ein Knie, um sich vor ihr niederzuwerfen. »Es spielt keine Rolle. Es ändert nichts.«
    Marikani ergriff seine rechte Hand und zog ihn an sich. Bara küsste sie, erst zitternd, dann mit beinahe wilder Leidenschaft, und sie ließen sich gemeinsam wieder auf das Lager sinken, wo der ehemalige Sklave heftig und schmerzhaft ins Fleisch seiner Göttin biss.
     
    »Ayesha«, sagte eine Stimme über ihr.
    Marikani öffnete die Augen. Es war noch Nacht, und das Licht der Monde war erst drei Schritte auf dem schimmernden Boden des Klosters vorgerückt. Haîk kauerte, vollständig bekleidet und mit Kettenhemd und Schwert
ausgerüstet, neben ihr. Einige Schritte entfernt war Bara dabei, sich anzuziehen.
    Sie war wieder eingeschlafen und …
    »Gibt es ein Problem?«, fragte sie; ihr Verstand war sofort hellwach.
    Haîk nickte. »Der Feind rückt an«, verkündete er.
    Marikani war nackt; die Leinendecke lag nur über ihren Füßen. Sie stand auf, ohne sich weiter Gedanken zu machen; in Harabec wurden zahlreiche Rituale nackt abgehalten. Haîk wirkte auch nicht schockiert. Ohnehin entsetzte nichts, was

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