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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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Werkunterricht gerade frisch zur genderneutralen Zone erklärt worden war, eigenhändig etwas hatte einsticken müssen. Diesen bulligen Beweis beeindruckend progressiver Schulpolitik würde er dem Mörder brutal ins Gesicht rammen; der würde sodann von der Leiter fallen und sich hoffentlich das Genick brechen.
    «So, du Arsch!», rief er. «Jetzt spielt’s Granada!»
    Er lief in die Küche und …
    «’n Tag», sagte der Keller Gerry durch den offenen Fensterspalt und kratzte sich verlegen am Ohr. «Ich käme wegen dem Fenster.»
    Suchanek starrte ihn wortlos an, immer noch das Kissen im Anschlag, auf dem stand: «Mama ist die Beste».
    «Der Wimberger Alex schickt mich. Zum … Reparieren?»
    Langsam setzte die Sauerstoffversorgung von Suchaneks Hirn wieder ein.
    «Der Grasel?», fragte er.
    «Wer?»
    Offenbar verkaufte Grasel der Dorfjugend jetzt nur mehr legale Drogen.
    «Tut mir leid wegen den Scherben», sagte Gerry. «Aber warum hast du Flaschen auf dem Fensterbrett?»
    Suchanek ließ das Kissen sinken.
    «Damit niemand auf eine Leiter steigt und einfach reinkommt», antwortete er säuerlich.
    Nun konnte man dem Keller Gerry viel nachsagen. Aber so eigenartig, wie ihn der Grasel hingestellt hatte, war er offenbar gar nicht. Er merkte zum Beispiel sofort, dass Suchanek damit zum Beispiel ihn gemeint hatte.
    «Damit meinst du jetzt zum Beispiel mich, oder?», sagte er.
    «Gehst du in fremden Häusern immer durchs Fenster? Warum läutest du nicht an, zum Teufel?»
    «Aber draußen bei der Glocke steht doch, dass sie nicht funktioniert.»
    Na gut. Dem war jetzt nicht so viel entgegenzuhalten.
    «Und weil der Alex gesagt hat, es ist dringend, und ich nur jetzt Zeit hab wegen dem Match nachher, hab ich mir gedacht, ich schau es mir halt einmal an.»
    Sein Gesichtsausdruck glitt ins leicht Trotzige ab. «Ich kann aber auch wieder gehen.»
    «Nein», sagte Suchanek, schaute auf das Kissen und warf es dann schnell weg. «Nein. Komm zur Tür, ich sperr dir auf.»
    Er ließ ihn rein, ging dann ins Wohnzimmer und drehte sein Handy auf. Drei unbeantwortete Anrufe und ein SMS vom Grasel, das ankündigte, der Keller Gerry werde vorbeikommen, um das Fenster zu reparieren. Die Kavallerie konnte also wieder einrücken. Fürs Erste.
    «Das muss schon arg sein», griente der bleiche Bub, nachdem ihm der Suchanek gleich einmal ein Bier hingestellt hatte. Schließlich war es ja schon knapp nach zwölf.
    «Was denn?»
    «Wenn einen einer umbringen will.»
    Suchanek runzelte die Stirn. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn jetzt gleich ein Kübel Spucke von Kellers hervorspringenden Schneidezähnen geronnen wäre, so lüstern schien den Bleichen dieser Gedanke zu machen.
    «Ja», antwortete er unwillig. «Das ist arg.»
    Es war Gerry deutlich anzumerken, dass ihn diese aus Suchaneks Sicht durchaus erschöpfende Schilderung seiner Gefühle eher unbefriedigt zurückließ. Das musste doch bunter gehen! «Ich mein, wenn man dann kapiert: Da geht’s jetzt um Leben oder Tod!», versuchte er es noch einmal. «Er oder ich!»
    «Da ging’s überhaupt nicht um: er oder ich. Da ging’s nur um: ich oder ich nicht.»
    «Beim Bundesheer hab ich mir immer vorgestellt bei den Übungen, wie das wär, wenn das jetzt echt wär. Voll der Kick, Alter!»
    Gut. Grasel hatte ausnahmsweise recht. Keller hatte tatsächlich einen ziemlichen Pecker. Exzellente Idee eigentlich, dass er ihm für die Reparatur des Fensters ausgerechnet diesen Freak geschickt hatte.
    «Auf so einen Kick kann ich gern verzichten. Aber weißt du was? Wenn dir das so taugt, dann häng doch eine Nachricht ans Schwarze Brett bei der Susi im Geschäft: ‹Lieber Mörder! Meine Tür steht dir immer offen. Schau doch mal vorbei. Dein Gerry.›»
    Keller verzog das Gesicht zu einer schrecklichen Fratze und machte ein ersticktes Geräusch.
    «Gngngngngnahahu! Hu!» Ein Schlaganfall? Ach so, nein. Er lachte.
    Suchanek verspürte den dringenden Wunsch, diese Unterhaltung in irgendwie fruchtbringendere Bahnen zu lenken. «Und du kannst also mein Fenster reparieren?»
    Gerry stellte die Absonderung von Todeskampfgeräuschen ein und antwortete: «Ich denke schon. Ich lern Tischler, heuer hab ich die Gesellenprüfung. Und in meiner Bude machen wir auch Fenster. Also, wenn’s der Typ nicht gesprengt hat, bring ich es sicher wieder hin.»
    Er sprang eilfertig auf und begann, an dem Fenster herumzufummeln. «Aha, also hier ist er reingefahren, mit einem Schraubenzieher oder was, und hat dann

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