Volksfest
nestelte gedankenverloren an dem rot-weißen Plastikband, das den Fundort abriegelte, und starrte mit leerem Blick auf die beiden Polizeitaucher, die sich gerade bei einem Einsatzwagen bereit machten, Willi wieder aus dem Wasser zu holen. Bisher war Suchanek eigentlich immer davon ausgegangen, es könne keinen schlimmeren Job geben, als Gesangslehrer von Hansi Hinterseer zu sein. Jetzt musste er allerdings einräumen, dass die Vorstellung, in einer trübgrünen Algenbrühe, in der man wahrscheinlich keinen Meter weit sah, nach einem halbverfaulten Kopf zu tasten, dem hohen C vom Hansi zumindest nicht viel nachstand.
Der junge Mantler bemerkte Suchanek zunächst gar nicht. Nach einer Weile schaute er dann aber doch nach, was denn das Pfeifen neben ihm verursachte.
«Ah. Du. Na, du hast dir ja wirklich die beste Zeit ausgesucht, um wieder einmal zu Hause vorbeizuschauen», sagte er dann. «Wieso klingst du wie eine Ziehharmonika?»
«Sport ist Mord.» Suchanek. Bitte! «Kleiner Unfall vorhin beim Match.»
«Hab schon gehört. Der erste Spielabbruch der Hansi-Burli-Geschichte, weil der Pfarrhofer geglaubt hat, er ist eine Dampfwalze.»
«Einer Dampfwalze hätte ich ausweichen können.»
Gregor lächelte müde. Dann sagte er:
«Der Mörder … Bei dir war er also auch? Letzte Nacht?»
«Ja. Bin ihm gerade noch ausgekommen.»
«Dein Gesicht. War er das?»
Suchanek tastete mit der Zunge vorsichtig seine aufgeplatzte Lippe ab. Vielleicht sollte er wieder einmal bei einem Spiegel vorbeischauen. Nur so interessehalber. «Nein. Das ist auch vom Match. Der Sechser-Hartl hat einen Mö… einen ziemlichen Hammer.»
«Aha. Na, hat sich ja echt ausgezahlt, das Match.»
Die Taucher verschwanden jetzt mit ihren Flossen in der Hand hinter der Uferböschung. Der junge Mantler schaute ihnen bedrückt nach.
«Der Typ hat dem Willi echt den Kopf abgehackt?», fragte er.
«Er hat ihm zumindest den Hals ziemlich gründlich durchgeschnitten. Und der Rest ist abgebrochen, wie sie die Leiche aus dem Rohr gespritzt haben.»
«Das muss ja schräg ausgesehen haben. Wenn man einen so herrichtet – da muss man schon einen festen Hass haben, oder?»
«Ich war vorher bei der Versammlung im Bierzelt. Die meisten Leute glauben, dass es ein Serienmörder ist. Ein Irrer. Weil sich niemand erklären kann, wieso deine Mutter und der Willi. Weil da keine Verbindung ist.»
«Ja», sagte Gregor. «Wird wohl so sein.»
«Oder weißt du eine?»
«Ich? Nein. Was sollte meine Mutter mit dem Willi zu tun haben?»
«Keine Ahnung. Ich kenn mich ja sowieso nicht mehr aus. Ich bin so lange weg, ich bin froh, wenn ich noch weiß, wie die Leute heißen.»
«Bist eine arme Sau. Bist zu der ganzen Geschichte gekommen wie die Jungfrau zum Kind.»
Wie die Jungfrau zum Kind. Ja. Genau. Wie kam denn die Jungfrau zum Kind? Wulzendorf lag, dessen war sich Suchanek absolut sicher, nicht in der Landungsschneise des Heiligen Geistes. Aber konnte er ausgerechnet Gregor fragen, wer denn seinem Vater bei der Erringung der Vaterschaft nachgeholfen hatte? Philip Marlowe hätte es getan. Suchanek atmete also tief durch. Und stellte dann eine Frage.
«Willst du eine Zigarette?»
Sie standen eine Weile einfach so da und rauchten. Der fette Wimmer schoss aufgeregt zwischen den diversen Einsatzfahrzeugen herum und machte sich wichtig. Wenn er so weitertat und nicht auf seinen Blutdruck hörte, würde er die dritte Leiche des Wochenendes werden.
«Mein Lieblingskieberer», murmelte Suchanek feindselig.
«Hast du leicht Probleme mit ihm?»
«Na ja. Wir werden eher nicht Bruderschaft trinken.»
«Wieso?»
«Wir haben heute Früh gewickelt. Er kann mich nicht leiden. Ich hingegen halte ihn für einen blöden Wichser.»
Gregor lächelte. «Na, dann seid ihr euch ja eh einig. Was gibt’s da noch zu streiten?»
«Ach. Es gibt doch immer was zu streiten, oder? Denk an dich und den Sechser-Hartl.»
Gregor war seine Überraschung deutlich anzusehen.
«Wer hat dir das erzählt?»
«Ist doch egal. Die Leute reden halt.»
«Die Leute reden immer. Aber man muss nicht alles glauben.»
«Welchen Teil soll ich denn nicht glauben? Dass du ihm den Grenzstein eingeackert hast oder dass er dir deswegen eine runtergehaut hat?»
Der junge Fünfer zog die Mundwinkel nach unten. «Der Sechser ist ein Arschloch.»
Darüber schien ja nun weitestgehend Einigkeit zu bestehen.
«Glaubst du, dass er das gewesen sein könnte mit deiner Mutter?», fragte Suchanek.
Gregor zuckte mit
Weitere Kostenlose Bücher