Volkssagen, Maerchen Und Legenden
hielt sich also, dem Gedächtniß nach, gegen den Aufgang, bis er endlich, mit Mühe, am Abend wiederum auf das Schloß Drschtka zu den Seinigen kam.
Und wiewohl sie, von wegen seines Abwesens, vor diesem betrübt gewesen, so waren sie doch seiner Zukunft herzlich erfreut. Also setzte er sich hinter den Tisch, fing das Abendmahl an zu halten und fragte den Wirth: ob er etwas von einem wüsten Schlosse wisse? Er antwortete: »nein;« und er hätte niemals gehört, daß etwa in diesen Wildnissen ein Schloß sein sollte. Da zeigte ihnen der Herzog sämmtlich seinen Zustand an, darüber sie sich sehr verwunderten. Einer unter seinen Dienern, dazumal gegenwärtig, that dem Herzog große Reverenz, erboth sich höchster Dienste und bat den Herzog um dasselbe Schloß. Ulrich aber, als ein kostfreier Fürst, wollte seines Dieners Bitte nicht verachten, und verehrte dem Diener das Schloß. Dasselbe wurde von seinem Namen erstlich Przym, nachmals Przymda, bis auf den heutigen Tag genannt.
Wer aber dies Schloß gebaut, findet man in den deutschen Chroniken so viel, daß Kaiser Heinrich, dieses Namens der erste, den etliche Geschichtschreiber ganz übergangen, Anno 920 regiert habe. Dieser habe eine schöne Tochter, mit Namen Helena, gehabt, um welche Albertus, ein Graf von Aldenburg, welcher am kaiserlichen Hofe dienete, freite, welchen sie auch nicht weniger liebte und gern zum Gemal hätte haben mögen. Dieweil er aber wohl wußte, daß er in seinem Stande des Kaisers Tochter weit ungleich, so konnte solch ein Vornehmen ordentlicher Weise nicht fortgehen. Er verkaufte deswegen die Grafschaft Aldenburg dem Kaiser, sammlete sein baares Geld und fing an, in Gebirgen und Wildnissen umherzureiten und einen gelegenen Ort, zur Erbauung eines Schlosses, allda er sich heimlich enthalten könnte, zu suchen.
Und als ihm dieser obangezeigte Ort der allerbequemste zu sein dünkte, führte er viel Arbeiter dahin, ließ ihrer etliche die Wälder ausreuten, etliche Steine brechen, Kalk brennen und die andern Mauern führen, Gewölbe, Thüren und andere Zimmer bauen. Da nun dieses Schloß in Eile vollendet, hat er es dermaßen mit Lebensmitteln versehen, damit er sich allda, selb zehnt, ein hundert Jahr erhalten könnte. Als aber alle Dinge, so in eine Festung gehörig, besonders aber von Gewehren und Geschossen bereitet, berief er alle die Arbeiter und das andere Gesinde in eine Stube vor das Schloß, versperrte sie auf das härteste und zündete das Gebäu mit eigener Hand an und verderbte sie allesammt, daß er nur ganz einsam auf dem Schlosse blieb. Dies that er darum, damit niemand ferner von diesem Schlosse etwas erführe; blieb eine kleine Zeit allda und kehrte wieder zu des Kaisers Hoff und dienete ihm, wie zuvor.
Auf eine Zeit hatte des Kaisers Tochter mit dem Grafen ein Vernehmen und ging vor das Schloß, darauf der Kaiser seine Hofhaltung hatte, hinaus. Allda erhaschte sie der Graf, und dieweil es mit ihrem Willen geschah, hatte er sie leicht mitzunehmen. Also saß sie hinter ihn auf sein Roß, ermahnete ihn, daß er eilen sollte und gesegnete weder Vater noch Mutter. Sie eilten in den Wäldern hin und her in der Irre; denn zu diesem Schlosse durchaus kein Weg war, und suchten also das Schloß, bis sie eines Tages sehr früh hinzukamen. Da gingen sie hinein und lebten mit einander in Freuden und genossen also dessen, was ihm der Graf zuvor bereitet hatte. Solches geschah im Jahre 925.
Nach fünf Jahren aber hatte der Kaiser seine Hofhaltung zu Regensburg und zog einstmals mit seinen Hofleuten, in großem Gebirge und Wäldern, auf die Jagd. Nun begab sich's, daß er einen über die maßen großhörnigten Hirsch gewahr wurde und rannte demselben nach, bis er von allen seinen Hofleuten und Dienern kam und dieselben keinesweges wieder antreffen konnte: denn er, von wegen des Nebels, nicht wußte, auf welche Seite er reiten sollte. Also kam er an ein Flüßlein, bei dem er aufwärts ritt, ob er etwa ein Dorf antreffen könnte und wurde, unversehens, durch die Bäume, eines Schlosses auf einem hohen Berge gewahr, dessen er sich erfreute und ritt eilends hinzu, damit ihn die Nacht nicht überfiele, konnte doch, von wegen der dicken Wälder und großen Steinfelsen, nicht gar bald dazu kommen.
Als es aber begunnte finster zu werden, kam er an des Schlosses Thor und fing an ohne Unterlaß zu schreien und zu rufen; denn er nun in dreien Tagen nichts gegessen und von kaltem Regen sehr naß geworden war. Graf Albert und Helena erschracken
Weitere Kostenlose Bücher