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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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sollt es sämmtlich wissen, daß ich, nach meinem lieben Herrn und Grafen, nicht eine Stunde leben will; wird mich nicht jemand anders ermorden, so will ich mich selbst umbringen.«
    Die Herzoge traten für den Kaiser und suchten diesen Zweien Gnade. Die Bitte währete so lange, bis sich der Kaiser bewegen ließ und fing an (denn er selbst auch ein Buler war) zu weinen und sprach: »o, Minne, wie hast du so viel und mancherlei Fälle!« Allda wurde bald Friede gemacht und dem Grafen ein Vertrag angemeldet. Der Graf und Helena ließen die Brücke nieder, gingen dem Kaiser entgegen, fielen ihm zu Fuß und baten um Gnade. Der Kaiser, als ein gnädiger Potentat, erließ ihnen alle ihre Schuld und befahl, daß sie alsbald mit ihm gen Regensburg ziehen sollten. Sie nahmen ihre Schätze, welche sie vor dem Saale vergraben gehabt, huben die Brücke auf, gingen heraus, beschlossen nach sich das Schloß und wandten sich also mit dem Kaiser und den Fürsten nach Baiern. Solches geschah Anno 930.
     
26. Die entführte Nonne.
     
    Anno 1026 lebte Brzetislaus, Herzogs Ulrich in Böhmen Sohn, ein schöner Jüngling, auch mit allen guten Tugenden von unserem Herren Gott vor andern gezieret. Er pflegte seine Jugend je und allwege mit Rennen, Stechen, Turnieren und anderen ritterlichen Spielen, vor anderen seines Alters Gleichen, zu beweisen und sich darinnen zu üben.
    Zu der Zeit war in deutschen Landen ein berühmter Graf, von kaiserlichem Geblüte geboren, mit Namen der weise Otto. Dieser hatte eine aus dermaßen schöne Tochter, mit Namen Judith, welche mit ihrer Schönheit und Demuth alle andere Jungfrauen derselben Landschaft übertraf. Ihre Eltern thaten sie zu Regensburg in ein sehr wohl verwahrtes Kloster, zum Brod genannt, darinnen sollte sie, neben andern Jungfrauen, die Schrift und den Psalter lernen. Aber ihre Schönheit, Frommkeit und Tugend wurde auch in andern Ländern offenbar.
    Als Brzetislaus, der junge Herzog in Böhmen, von etlichen und besonders von Pilgersleuten solches vernommen, trachtete er Tag und Nacht, wie er die schöne Jungfrau zu schauen und, viel mehr und lieber, ob es möglich, zum Gemal haben möchte. Einmal betrachtete er, welcher Gestalt von Ulrich, seinem Vater, zu der Jungfrauen Eltern, eine ehrliche Botschaft um sie, sie ihm zu einem Gemal zu werben, abgefertigt würde. Wiederum bedachte er, wie daß die Leute in Baiern sehr aufgeblasen und die Deutschen der Slavonischen Sprache nicht gewogen wären und besorgte: es möchten die Unkosten, sammt der Mühe, vergeblich angewendet werden. Trat deswegen vor seinen Vater und vermeldete: er wollte an des Kaisers Hof ziehen und daselbst anderer Nazionen Gebräuche und Sitten lernen; dazu denn sein Vater den Willen gab.
    Also las ihm Brzetislaus dreißig ausbündige Männer aus, und eilte mit ihnen nach Baiern. Auf dem Wege aber befahl er seinen Dienern ernstlich, daß ihn niemand für einen Herzog, sondern allwege für einen ihres Gleichen ehren und halten sollte. Die Diener, obwohl ihnen solches gleich wunderlich vorkam, sagten solches zu. Als sie nun an den Ort, wo des Herzogs Gemüth hin stund, kamen, thät der Herzog nicht anders, als wie ein hungriger Wolf, wenn er ein Schaf erwischen will, und ging um das Kloster umher, suchte Gelegenheit, ob er die schöne Jungfrau irgends ersehen möchte. Zum Theil war er der Meinung, daß er das Kloster mit Gewalt stürmen wollte, aber er durfte sich's, mit einer kleinen Anzahl, nicht unterstehen. Zum andern gedachte er in das Kloster hinein zu gehen, die Jungfrau zu nehmen und mit ihr, wie er's nun zu Wege bringen könnte, sich also davon zu machen.

    Indessen wandte sich das Glück auf den Morgen zu ihm, daß ein Feiertag war und Abatissin den jüngeren Jungfrauen geboten hatte, daß sie zur Vesper läuten sollten; welches sie thaten, darunter denn auch die Jungfrau Judith war. Zu dieser Stunde ging der Herzog auch in die Kirche und erkannte sie bald an ihrer Schönheit und dem köstlichen Klosterkleide. Er blickte sie ganz lieblich an und ließ seine Liebe zu ihr gegen sie vermerken. Sie sah ihn, als einen adelichen, schönen Jüngling, nichts desto weniger mit Fleiß an und zeigte ihm ihr fröhlich Angesicht, nicht anders, als wenn sie ihn lange gekannt hätte.
    So machte er sich näher an sie, erwischte die Jungfrau und lief mit ihr zur Kirche hinaus, welche sich gar ein wenig wehrte, sprang auf sein Roß, setzte die Jungfrau hinter sich und wollte zum Kloster hinaus rennen. Als dies die Wächter und

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