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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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sehr, doch ging der Graf über das Brückenthor, redete ihn an und fragte ihn: was er suche? Der Kaiser antwortete und sprach: »ich haben mich verirret und bitte euch, gebet mir doch die Herberge und Brod zu essen, damit ich mich ein wenig stärken und morgen wieder auf den rechten Weg, den ihr mir zeigen wollet, kommen könne.« Helena war begierig, einen Menschen zu sehen, und lief heraus. Also beriethen sie sich untereinander und ließen den Gast auf das Schloß, den sie nicht kannten; denn er hatte sich in den fünf Jahren, seit daß er die Tochter verloren, weder das Haar auf dem Haupte, noch den Bart abnehmen lassen.
    Er aber kennete sie beide, die Tochter und den Eidam gar wohl, durfte sich ihnen aber nicht offenbaren; denn er mußte für sich ein Unglück erwarten. Sie zündeten ein Licht an und verehrten ihn mit großer Begierde; denn sie, einen Menschen zu sehen, sehr verlangte. Sie fragten ihn auch: wer und von wannen er wäre? Er aber verkehrte zum Theil seine Sprache und Stimme und gab für, er wäre ein Ritter aus Ungern, wäre also der Ritterschaft nachgezogen, habe sich gänzlich verzehret und wollte nun gerne einmal in seine Heimat reiten. Sie fragten ihn um Zeitung. Die Helena sprach: »ich bitte, tugendreicher Ritter, saget mir doch, was höret man vom Kaiser Heinrich Gutes sagen?« Er aber antwortete mit Listen und sprach: »es, wisset ihr's nicht, ist es doch allbereits länger als ein Jahr, daß der Kaiser gestorben ist.« Helena sprach: »o, wie gerne höre ich das, daß ihr uns also gute Zeitung gebracht habt. Nun will ich, euch zum Lohne, selbst mit meiner Hand ein schön Bette bereiten, damit ihr wohl ruhen und einen süßen Traum haben möget; denn ich's ihm vom Herzen gern gönne, desgleichen wollte ich es auch meinem ganzen Geschlechte gönnen, dadurch mir und meinem Allerliebsten dergleichen Freiheit entstünde, gleich als ob wir von neuem in die Welt geboren würden.«
    Der Kaiser sprach: »der Kaiser ist nun längst, wo der liebe Gott seine Seele hin gewendet hat. Aber ich bitte, liebe Frau, ihr wollet mir's, als einem Gaste, nicht verargen, daß ich mit euch, als ein Unbekannter, der ich euch vielleicht die Tage meines Lebens nicht gesehen, so viel reden und fragen mag. Wenn ihr den Kaiser, löbliches Gedächtnisses, so wohl in eure Gewalt, als ihr mich habt, bekommen, wie wolltet ihr ihn verehren?« Dem antwortete sie: »ich wollte es mit meinem Liebsten dahin bringen, daß er den Morgen nicht erleben sollte.« Als sie nun auf den Morgen aufstunden, nahm der Gast vom Wirthe und der Wirthin Abschied, sagte ihnen der Verehrung freundlichen Dank, und sie begleiteten ihn ehrlich bis vor die Schlagbrücke und ließen ihn dahin ziehen.
    Der Kaiser nahm ihm den Ort und die Gelegenheit der Wälder gar wohl in Acht; denn dieser Tag viel heller als der vorhergehende war und wandte sich nach Mittag. Und als er nach Regensburg kam, ward er von allem Volke mit großen Freuden angenommen. Es kamen viele Fürsten zu ihm, auf daß sie ihn, als einen Verlornen, entfahen und sich seiner Zukunft freuen möchten, denen er Dank sagete. Und nach etlichen Tagen begehrte er von ihnen, daß sie mit ihm einen Feldzug thun möchten; denn er in Vorhabens wäre, ein Schloß zu gewinnen, solches sie denn gerne verwilligten. Da befahl der Kaiser, daß man viel Holzäxte zubereiten sollte.
    Als nun das Kriegsvolk bei Regensburg zusammenkam, war der Kaiser selbst der Heerführer. Und als das Volk auf den Ort gebracht ward, da keine Wege waren, ließ der Kaiser die großen Bäume niederfällen und also den Weg bis zum Schlosse räumen. Wie sie sich bei dem Schlosse gelagert, fragten die Fürsten den Kaiser: was er auf diesem Schlosse für einen Feind hätte? Der Kaiser sprach: »allhie habt ihr meinen unzeitigen Eidam, mit meiner ungehorsamen Tochter.«
    Der Graf erhörte das Getümmel, lief eilends über die Brücke auf das Thor und fragte: was das bedeute? Ihm wurde zur Antwort dieses: »der Kaiser Heinrich, welcher neulich bei euch auf diesem Schlosse gewesen und das Brod mit euch gegessen, welchen ihr, von wegen der Länge seines Bartes, nicht gekannt, hat uns befohlen, daß wir euch und seiner Tochter auf Leib und Leben absagen sollen.« Der Graf gab zur Antwort: er wolle sich wehren, aber er hätte nichts womit; denn alle Armbrüste vermodert und die Sehnen verfault wären; und fing allein an sich mit Steinwerfen zu wehren. Helena lief eilends auf die umlaufende Wehr, schrie mit heller Stimme und sprach: »ihr

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