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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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möchte sich verstecken, wo er wollte, ihr Mann fände ihn doch. Er bat aber so dringend und verhieß ihr, alles für sie zu thun, was sie nur verlangte, wenn sie ihn dagegen zu den sieben Sachen verhölfe. Endlich sagte sie es ihm zu, mit dem Beding aber, daß er sie mit sich hinwegführte. Darauf überlegten sie mit einander, wie es anzustellen wäre. Indessen sie noch darüber redeten, hörten sie den Popanz kommen. Die Frau wußte in der Geschwindigkeit keinen andern Rath, als ihren Freund unter das Bett zu verstecken, und daß er da bliebe, bis am folgenden Tage der Popanz wieder auf die Jagd ginge.
    Kaum war der Freund versteckt, so trat der Popanz schon in die Stube herein, und das erste, was er aussprach, war: »Frau, ich rieche Menschenfleisch.« Und sogleich fing er an zu suchen, daß der armen Frau ganz angst und bange ward. Er befahl ihr, ihm zu sagen, wo der Mensch wäre, damit er ihn sogleich fressen könnte; denn er wäre noch sehr hungrig und müde von der Jagd, da er nicht viel gefunden. Die Frau versicherte, es wäre niemand da; einer wäre zwar da gewesen, aber sogleich wieder davon gelaufen, als er vermerkt, wo er hingekommen; dieser würde wahrscheinlich noch im Walde versteckt sein, wo er ihn morgen noch aufspüren könnte. Darauf beruhigte sich der Popanz und legte sich mit seiner Frau zu Bette. Als sie nun merkte, daß er eingeschlafen war, da er laut schnarchte, so faßte sie eine Feder in seinem Schwanz und riß sie mit aller Gewalt heraus. Sogleich wachte der Popanz auf und schrie vor Schmerz: »Weib, bist du toll? Was ist das, daß du mich so am Schwanze rupfst?« »Ach, lieber Mann, antwortete die Frau, verzeihe mir. Ich träumte eben einen fürchterlichen Traum, wie in einem fernen Lande ein Schloß mit allen seinen Bewohnern erstarrt und versteinert worden durch die Macht eines bösen Zauberers, und mir war, als wenn ich auch darin war und mit versteinert wurde. Daher packte ich dich so fest. Könnte so etwas wohl wirklich geschehen?« – »Allerdings, antwortete er; neulich hat sich eben dieser Fall ereignet in einem fernen Königreiche.« – »Mein Gott – sagte die Frau – ist denn der Zauber nicht wieder aufzulösen?« »O ja, erwiederte er, aber das Mittel dazu ist keinem Menschen bekannt.« – »Nun was ist es dann für eins, lieber Mann?« – »Derjenige, der die Prinzessin liebt und durch den das Unglück geschehen ist, müßte hier in unsern Wald kommen und zu dem Wasserfall gehen, der darinnen ist, und warten, bis ein ganz kleiner unansehnlicher Zwerg erscheint, der ein Felsenstück auf den Schultern trägt und in das Wasser schmeißt. Doch, Weib, laß mich schlafen; was nützst dir diese Erzählung? ich bin müde.« Sie bat aber so schön, daß er fortfuhr: »Dies alles würde ihm doch noch nichts helfen; denn der Zwerg würde nicht mit ihm gehen wollen, es sei denn, daß er eine von meinen Schwanzfedern hätte, und ihm damit ins Gesicht schlüge: dann würde der Zwerg plötzlich zu einem großen Riesen werden und freundlich mit ihm gehen, wohin er wollte. Derselbe müßte dann das verwünschte Schloß emporheben und umdrehen, und der Geliebte der Prinzessin sie mit der Feder berühren: worauf alles wieder wie vorher leben und der Zauber gelöst sein würde. Aber das wird nimmer geschehen; denn wer wollte mir wohl eine Feder ausziehen? Und nun laß mich schlafen.« Die Frau war still, wie sie ihn aber wieder schlafen hörte, riß sie ihm abermals eine Feder aus. Der Popanz fuhr noch heftiger auf, als das erstemal. »Ach Mann, ich bitte dich um Verzeihung, ich habe so eben wieder einen ängstlichen Traum gehabt; mir träumte, wie eine schöne Prinzessin eines fernen Königreichs schon seit vielen tausend Jahren in einem Zauberschlafe versenkt läge, und in dem ganzen Pallast keine lebendige Seele mehr wäre, da alles schon ausgestorben.« »Du hast Recht, Frau, erwiederte der Popanz, es giebt ein solches Schloß, wo eine versteinerte Prinzessin schläft, und alles ausgestorben ist, bis auf ein kleines Hündlein, das immer vor dem Fenster liegt und ihn bewacht, indem, so lange er dies thut, nichts Lebendiges hinein kann; denn sobald sich was nähert, verwandelt es sich in ein fürchterliches Ungeheuer, das alles zerreißt. Es giebt aber eine Stunde des Tages, wo es das Fenster verläßt und zu der Prinzessin geht und sich bei ihr schlafen legt. Diese Stunde ist von 1 bis 2 Uhr, und wenn sich alsdann jemand hinein schleichen könnte und sich dem Hündlein näherte, ohne

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