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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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zu befreien. Bald hörte er auch: trappel, trappel, trappel eine Heerde Schafe ankommen und fing nun gleich an zu schreien: »ich will nicht Burgemeister werden! ich mag nicht Burgemeister werden!« Der erstaunte Schäfer trat hinzu und sagte: »Mann, warum schreit ihr so?« – »Je – sagte Kiebitz – sie wollen mich zum Burgemeister machen und das will ich nicht und da ich nicht will, wollen sie mich in's Wasser werfen und ersäufen.« – »Burgemeister möchte ich wohl werden;« antwortete der Schäfer. »Nun denn öffnet nur das Faß, sagte Kiebitz, laßt mich heraus und kriecht hinein und sie werden euch gleich zum Burgemeister machen.« Gesagt, gethan; der Schäfer kroch hinein, Kiebitz war frei und trieb die Heerde fröhlich gegen sein Dorf zu.
    Als die Bauern aus dem Kruge kamen, rollten sie sträks ihr Faß weiter, während der Schäfer schrie: »ich will nun Burgemeister werden! ich will nun Burgemeister werden!« – »Das glauben wir gerne,« antworteten die Bauern und patsch lag die Tonne im Wasser und die Bauern gingen heim, fröhlich über ihre That. Aber wie sie zum einem Ende des Dorfs hineintreten, trieb Kiebitz, zu ihrem nicht geringen Erstaunen, die Heerde Schafe zum andern Ende in's Dorf. »Kiebitz, wo kommst her?« erscholl es aus einem Munde. »Je – antwortete er – habt ihr die weißen Blasen gesehen, als ihr mich in's Wasser warft? das ist ein verzaubertes Wasser. Alle die weißen Blasen sind Schafe, da habe ich mir denn die kleine Heerde zusammen getrieben; es sind noch tausendmal mehr da.« – »Können wir denn auch wohl welche bekommen?« fragten die Bauern. »Warum nicht? – war die Antwort – ihr müßt nur hinein springen und sie euch holen.«
    So ward denn beschlossen, alle Bauern wollten sich Schafe holen; erst der Schulze, dann die andern Bauern, einer nach dem andern. Der Schulze sprang zuerst, die weißen Bläslein stiegen auf, und nun erwachte der Geiz in den übrigen Bauern, welche fürchteten, der Schulze möchte zu viele nehmen und sie nichts bekommen; alle sprangen auf einmal hinein und ertranken. Und Kiebitz erbte das ganze Dorf und ward ein reicher Mann.
     

 
VII. Sagen und Mährchen vom Harz.
     
62. Vom König Laurin.
    Larein oder Laurein, der funfzehnte König der Deutschen, den Tacitus Laertes nennet, hat in Deutschland regieret, um die Zeit, als Ehud Richter und Herzog über das Volk Israel gewesen, als die Welt zwei tausend fünfhundert und funfzig Jahr gestanden. Weil wir aber von diesen und etlichen andern Königen nichts weiter in Historien haben, müssen wir uns an dem begnügen lassen, was die alten Deutschen Lieder, doch sehr dunkel und von ferne, uns daran erinnern, aus welchen Liedern das Heldenbuch und dergleichen zusammen gezogen worden.
    Wie die alten Nazionen der Erde ihrer Vorfahren Geschichten besangen, so haben auch die alten Deutschen solchen Brauch, der an ihm selbst nicht unnütz noch tadlich, gehalten und ihrer Vorfahren Geschichten also in gemeine Lieder, Gesänge und Gedichte verfaßt, damit man der alten Deutschen hin und wieder geschehene tapfere Thaten, als hätten sie sich auf eine Zeit begeben, gleich als in einem Liede zu singen, beisammen hätte, wie denn davon das Heldenbuch und andere in Reime gefaßte Schriften, wie wohl sehr verkürzet, noch vorhanden, da unter dem Namen des Dietrich von Bern, des Wolfdietrich und anderer, aller deutschen Helden freudigen Thaten, unter des alten Hildebrands aller alten Deutschen vernünftige und weise Anschläge uns vorgestellt werden, doch also, daß besonderer Helden rühmlicher Werke daneben bisweilen gedacht wird.
    Also meldet der vierte Theil des Heldenbuches etwas von unserem König Laurin, doch sehr verblümter Weise, nach poetischer Art; es kann aber dennoch so viel daraus abgenommen werden, daß König Laurin ein mächtiger, reicher, verständiger Regent gewesen, der sein Reich bis an das Welsche Gebirge ausgebreitet und dasselbige vor den benachbarten Potentaten zu erhalten, sein Wesen des Orts, da jetzt die Grafschaft Tyrol gelegen, gehabt hat. Aber doch gleichwohl diese Lande und den Harz auch beherrschet, durch andere und ihm unterworfene Landpfleger, die auch Könige genennt worden, wie man denn von ihm finget, daß ihm wohl funfzehn Könige unterthan gewesen und man seines Gleichen nicht gewußt.
    Dieweil er aber einen hohen Verstand gehabt, und mit listigen Anschlägen seine Sachen wunderbarlich und glücklich im Anfange hinaus geführet, hat man's dafür geachtet, er

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