Volkssagen, Maerchen Und Legenden
Irren,
Gut Wetter daher praktiziren; (?)
Denn wenn ein starker Nebel trift
Recht solchen Berg, wie ich bericht',
So fällt gewiß denselben Tag
Ein Regen; ist wahr, wie ich sag'.
Wann aber solcher Berg ganz frei,
Ohn' Nebel ist, ohn' alle Scheu,
So folgt ein schöner, heller Tag.
Alsdann darin ein jeder mag
Mit Freuden an sein' Arbeit gah'n
Auch wandern, reiten und alsdann
Noch weiter, daß für solche Zeit
Gott werd' gedankt in Ewigkeit.
71. Der treue Burggeist zu Scharzfeld am Harz.
Im elften Jahrhundert gehörte diese Burg dem Oberberghauptmann von Helden, dessen schöne Frau Kaiser Heinrich der vierte in Goßlar kennen lernte. Böse Wünsche stiegen in ihm auf, er wußte auf ne geschickte Weise den Mann von der Burg Schatzlar zu entfernen, jagte oft in der Nähe derselben, ward von einem Ungewitter überfallen und die Thore der Burg öffneten sich ihm zum Schutze. Die einsame Burgfrau war schwach genug, nicht dem Gedanken widerstehen zu können, daß ein Kaiser ihrer Schönheit huldigte und ward ihrem Gemale treulos.
Die unwürdige Liebe des Kaisers hatte ein Pfaffe aus dem nahen Kloster Pöhlde unterstützt. Zwar war diese Mitwirkung ganz geheim getrieben worden, aber der Verräther schläft nicht, hier war es der Burggeist. Lange hatte dieser sein Wesen auf dem Schlosse getrieben, spukte in der Küche, im Keller, besonders aber auf dem runden Thurme, der vor dem Schlosse stand. Man war seiner so gewohnt, da er niemand beleidigte, hörte sein Gepolter und sein Geheul ohne Grausen, da es zu oft kam und ließ ihn ruhig seinen Unfug treiben.
Dieser Burggeist erhob jetzt ein ungewöhnlich fürchteliches Geheul, tobte entsetzlich, ob dieser Schandthat, in der ganzen Burg herum und erschütterte sie in ihrer Grundfeste. Gefoltert von den heftigsten Gewissensbissen irrte die Gefallene aus einem Winkel in den andern; das Hofgesinde schlug Kreuz auf Kreuz und erwartete allgemeine Zerstörung mit bebenden Gliedern. Doch nicht züchtigen wollte der Geist, nur aufbrechen und seinen alten Sitz verlassen. Es war ihm nicht möglich, hier länger zu verweilen, wo die Unschuld und Tugend vom Reichsoberhaupte selbst mit Füßen getreten war. Unter krachenden Donnerschlägen fuhr er im runden Thurme hinauf, hob die Bedachung desselben ab, und stürzte sie in die Tiefe, schwebte über Scharzfeld, schrie es laut über die ganze Gegend aus, daß der Pfaffe mehr als der Kaiser an dieser Sünde schuldig sei und verschwand.
Seit der Zeit hat kein Dach wieder auf dem Thurme festsitzen wollen, so oft man es auch zu erneuern versuchte; denn der Burggeist kam immer und riß es ab. Der Pfaffe aber ging sein Lebelang verstört umher und kam nie wieder zu einem heitern Gesichte.
72. Die Dummburg.
Mit Schauder naht der Wanderer den Trümmern der Dummburg. Grausen faßt ihn, wenn ihn in dieser Gegend die Nacht übereilt. Denn, wenn die Sonne untergegangen ist, und er betritt den Boden der Burg, so hört er in der Tiefe ein dumpfes Aechzen und Kettengeklirr. Und um Mitternacht sieht er, im Mondschein, die Geister der Ritter der Vorzeit, welche das Land umher einst beherrschten mit eisernem Scepter. In feierlichem Zuge steigen zwölf lange, weiße Gestalten aus den Felsentrümmern hervor, tragend einen großen offnen Sarg, den sie auf der Höhe hinsetzen, und dann verschwinden. Auch bewegen sich oft die Schädel, die hier und da umher liegen, unter den Klippen.
Lange Zeit hauseten in der Dummburg Räuber, welche die vorbeiziehenden Reisenden und Kaufleute, die sie auf der Landstraße von Leipzig nach Braunschweig erspähten, erschlugen, und die Schätze der beraubten Kirchen und des umliegenden Landes zusammenhäuften, und in unterirrdischen Hölen verwahrten. Tiefe Brunnen waren ausgefüllt mit Erschlagenen; und in dem schrecklichen Burgverlies der Raubburg starben oft Unglückliche den langsamen Hungertod. Lange blieben die Schlupfwinkel der Räuber unentdeckt. Doch endlich traf sie die Rache der verbundenen Fürsten.
Die geraubten Schätze von Gold und Silber und Edelsteinen liegen noch jetzt aufgethürmt in den verschütteten Kellern und Gewölben der Dummburg. Doch nur selten ist es einem Wanderer vergönnt, die hineinführenden Pforten zu finden, wenn er auch hier und da verfallne Eingänge entdeckt. – Geister in Mönchsgestalten, oder auch leibhafte Mönche, steigen hier öfters hinab.
Einst sahe ein armer Holzhauer, der hinter den Felsentrümmern eine Buche fällen wollte, einen Mönch langsam daher
Weitere Kostenlose Bücher