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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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Sittendorf.
    Kopfschüttelnd ging er in das Dorf hinein und nach seiner Hütte. Er fand sie sehr verfallen, und vor ihr lag ein fremder Hirtenknabe in zerrißnem Kittel, neben einem abgezehrten Hunde, der ihn zähnefletschend angrinzte, als er ihn rief. Er ging durch die Oeffnung, die sonst eine Thür verschloß, hinein, fand aber alles so wüste und leer, daß er, einem Betrunkenem gleich, aus der Hinterpforte wieder hinaus wankte, und Frau und Kinder bei ihrem Namen rief. Aber keiner hörte, und keine Stimme antwortete ihm.
    Bald umdrängten den suchenden Mann mit dem langen, eisgrauen Bart Weiber und Kinder und fragten ihn um die Wette: was er suche? Andre, vor seinem eignen Hause, nach seiner Frau oder seinen Kindern zu fragen, oder gar nach sich selbst, schien ihm so sonderbar, daß er, um die Fragenden los zu werden, die nächsten Namen nannte, die ihm einfielen. »Kurt Steffen!« Die meisten schwiegen und sahen sich an, endlich sagte eine bejahrte Frau: Seit zwölf Jahren wohnt er unter der Sachsenburg, dahin werdet ihr heute nicht kommen. »Velten Meier!« Gott habe ihn selig! antwortete ein altes Mütterchen an der Krücke, der liegt schon seit funfzehn Jahren in dem Hause, das er nimmer verläßt.
    Er erkannte, zusammenschaudernd, seine plötzlich alt gewordene Nachbarinnen; aber, ihm war die Lust vergangen, weiter zu fragen. Da drängte sich durch die neugierigen Gaffer ein junges, rasches Weib, mit einem einjährigen Knaben auf dem Arm, und einem vierjährigen Mädchen an der Hand, die alle drei seiner Frau wie aus den Augen geschnitten waren. »Wie heißt ihr?« fragte er erstaunend. »Maria.« »Und euer Vater?« »Gott habe ihn selig! Peter Klaus; es sind nun zwanzig Jahr, daß wir ihn Tag und Nacht suchten auf dem Kyffhäuser, da die Heerde ohne ihn zurückkam; ich war damals sieben Jahr alt.«
    Länger konnte sich der Ziegenhirt nicht halten. »Ich bin Peter Klaus, – rief er, – und kein anderer!« und nahm seiner Tochter den Knaben vom Arm. Alle standen wie versteinert, bis endlich eine Stimme, und noch eine Stimme rief: »Ja, das ist Peter Klaus! Willkommen Nachbar, nach zwanzig Jahren willkommen!«
     
5. Das gealterte Brautpaar.
     
    In Tilleda wohnte ein armer, aber frommer Tagelöhner. Seine Tochter war Braut von einem eben so dürftigen und redlichen Handwerker. Morgen sollte die Hochzeit sein. Die Gäste waren eingeladen, aber kein Mensch hatte daran gedacht, daß im ganzen Hause nur ein Topf, eine Schüssel und zwei Teller waren. »Was machen wir?« sprachen alle, und keiner wußte Rath! Endlich sagte der Vater, halb im Scherz, halb im Ernst:
    »Ei, geht auf den Kyffhäuser, vielleicht leihet euch die Prinzessin Alles.«
    Das Brautpaar geht wirklich hin. Vor der Oeffnung des Berges steht die Prinzessin. Sie nahen sich ihr mit Knixen und Bücklingen, und bringen ihr Anliegen schüchtern vor. Die kaiserliche Hoheit lächelt, und befiehlt zu folgen, worüber Hans und Grete außer sich vor Freude sind. Die Prinzessin giebt ihnen nun erst zu essen, und dann packt sie ihnen mit ihren höchsteigenen unverweltlichen Händen einen großen Tischkorb voll Teller, Schüsseln, Löffel u.s.w. Hans und Grete bedanken sich schönstens, versprechen, morgen Alles unversehrt zurück zu liefern, und auch etwas Reisbrei und Hochzeitkuchen mitzubringen.
    Wie eilten sie, nach Tilleda zu kommen, so schwer auch der zugedeckte Tischkorb war. Aber wie wurde ihnen, als sie ein ganz neues Tilleda vor sich sahen. An der Stelle, wo ihres Vaters Hütte stehen mußte, fanden sie einen großen Ackerhof. Kein Nachbarhaus war ihnen mehr kenntlich; kein Baum, kein Garten war mehr da, wo sie sonst dergleichen gesehen hatten. Lauter fremde Menschen, die sich um das Brautpaar versammelten, und es mit eben der Verwunderung und Neugierde ansahen, als dieses die Gaffenden betrachtete.
    Sie setzten ihren Korb an die Erde, und überlegten ihr Schicksal. Da kam der Prediger. Grete ging auf ihn zu, klagte, daß sie Beide wie verrathen und verkauft unter den Leuten wären, erzählt ihm, daß sie gestern auf den Kyffhäuser gegangen sei, und kurz, sie macht ihn mit dem ganzen Abentheuer bekannt. Der Herr Pastor nahm darauf das Brautpaar mit in sein Haus, schlug das Kirchenbuch nach, und fand, daß Hans und Grete nicht länger als zweihundert Jahre in dem Kyffhäuser gewesen waren.
     
6. Der verzauberte Kaiser.
     
    Schon oben sprachen wir von dem verzauberten Kaiser Friedrich, hier einiges von dem, wie er sich noch den Lebenden zeigt.

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