Volkssagen, Maerchen Und Legenden
durch welche der Kornwucherer, beim Verkauf an arme Handarbeiter, durch Schütteln und Schlagen immer einige Körner wieder auf seinen Haufen zurückfallen ließ. In einer dieser Spalten waren einige kleine Blechmünzen zurück geblieben, die der Holzhauer beim Ausschütteln des Geldes nicht bemerkte.
Doch, den Falkenaugen des reichen Nachbars entgingen sie nicht. Er suchte den Holzhauer im Walde auf, und fragte ihn, was er gemessen habe mit der Metze? Holzsaamen, Haferkorn und dergl., antwortete dieser stotternd. Aber mit Kopfschütteln zeigte ihm der Wucherer die Blechmünzen, drohte ihm mit den Gerichten und der Folter, und dann versprach er ihm wieder alles, was er sich nur wünschen konnte. Und so preßte er ihm nach und nach das geahndete Geheimniß ab, und lernte von ihm die furchtbaren Worte.
Die ganze Woche hindurch machte nun der reiche Wucherer Entwürfe, wie er mit einemmale alle Schätze heraus schaffe aus der Höle, und auch die, welche in Nebenhölen noch etwa verborgen sein könnten, und unter der Erde vergraben sein dürften. Hätte er alles dies Geld wohl beigescharrt, dann berechnete er, schon zum voraus, wie er, nach und nach, einen Morgen Acker nach dem andern, eine Hufe nach der andern, seinen Nachbarn wohlfeil abkaufen, oder abklagen und abschwören wollte. So dachte er Herr von dem ganzen Dorfe und vielleicht von noch mehrern benachbarten Dörfern zu werden, sich dann vom Kaiser adeln zu lassen und als Raubritter die ganze Gegend sich steuerbar zu machen.
Dem Holzhauer gefiel es nicht, daß sein böser Nachbar zur Burg gehen wollte. Er bat ihn, abzustehen von seinem Vorhaben, stellte ihm die Gefahr vor, erzählte ihm hundert Beispiele von unglücklich gewordenen Schatzgräbern. Aber wer hält einen Geizhals von einem offnen Sack voll Goldstücke zurück?
Durch Drohungen und Bitten wurde der Holzhauer endlich beredet, einmal nur noch mitzugehen zu der Pforte; er sollte die Säcke, die der Wucherer alle selbst heraus schleppen wollte, nur in Empfang nehmen und in ein Gebüsch verstecken. Dafür sollte er die Hälfte haben von allem, und die Kirche den Zehnten; auch sollten alle Arme des Dorfs neu gekleidet werden. So sprach der Geizige. In seinem Herzen aber hatte er beschlossen, den Holzhauer, wenn er seiner Hülfe nicht mehr bedürfte, in den tiefen Brunnen auf der Burg hinunter zu stürzen, den Armen nichts, und der Kirche einige Blechmünzen zu geben, wozu er im Geist schon die leichtesten aussuchte.
Den nächsten Sonntag ging der Geizige, noch vor Aufgang der Sonne, mit dem Holzhauer in die Klippen der Dummburg. Auf seiner Schulter trug er einen großen Dreischeffelsack, in dem zwanzig etwas kleinere steckten, und einen Spaten und eine große Hacke. Der Holzhauer warnte ihn noch einmal ernstlich vor Habsucht, aber vergebens, empfahl ihm das Gebet zu den Heiligen, aber umsonst. In sich fluchend und zähneknirschend ging der Geizhals vor sich hin.
Nun kamen sie zu der Pforte. Der Holzhauer, dem nicht wohl war bei der Sache, den aber die Furcht vor der Folter zurück hielt, blieb in einiger Entfernung stehen, um die Säcke in Empfang zu nehmen. »Thürlein, öffne dich!« rief hastig und vor Gier zitternd der Kornwucherer. Da öffnete sich die Pforte und er ging hinein. »Thürlein, schließe dich!« Die Pforte schloß sich hinter ihm.
Kaum war er in dem Gewölbe, und sah alle die Fässer und Säcke und Kasten voll Gold und edeln Steinen und Perlen und blinkendem Golde, so verschlang er alles mit den Augen, und riß mit bebender Hand die zwanzig Säcke aus dem großen Sack heraus, und wollte hastig sie füllen.
Da kam aus der Tiefe der Höle, langsamen Schrittes, ein großer schwarzer Hund mit feurigen funkelnden Augen, und legte sich wechselnd auf jeden gefüllten Sack und auf alle das Geld.
»Fort mit dir, du Geizhals!« so grinzte der große schwarze Hund ihn an. Bebend fiel er zur Erde, und kroch auf Händen und Füßen der Thüre zu. Aber, in der Angst seines Herzens vergaß er das: »Thürlein, öffne dich!« rief einmal über das andere: »Thürlein, schließe dich!« und die Thür blieb verschlossen.
Lange harrte sein der Holzhauer mit pochendem Herzen. Da schien's ihm, als hörte er Aechzen und Winseln und ein dumpfes Hundegeheul – und dann war es plötzlich wieder still.
Jetzt hörte er das Lauten zur Messe in dem Kloster. Er betete seinen Rosenkranz: dann pochte er leise an die Pforte. »Thürlein, öffne dich!« »Es öffnete sich die Pforte; aber – o Jammer, da lag
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