Voll auf Ex-Kurs Roman
abhauen! Und wo willst du überhaupt hin?«
»Zum Arzt«, behaupte ich schnell. »Mir ist auf einmal wirklich total übel, keine Ahnung, woher das kommt, ich hab ja nichts getrunken oder so. Sagst du dem Boss Bescheid, falls er fragt?«
»Äh«, ist das Einzige, was ich von meiner Kollegin noch höre, dann bin ich schon aus der Tür.
4. Kapitel
Berlin, Berlin!
Um zehn Minuten vor fünf stolpere ich am Rosenthaler Platz aus der U-Bahn und hechte die Stufen zum Ausgang hoch. Was für ein Glück, dass der ICE von Hamburg nach Berlin nur eineinhalb Stunden braucht, sonst hätte ich das im Leben nicht mehr geschafft!
Wie von Furien gejagt hetze ich die Rosenthaler Straße entlang und suche die richtige Hausnummer. Doch bevor ich sie entdecke, springt mir schon ein Schild mit einem knallroten Herz ins Auge. »Institut für angewandte Liebesberatung« steht in großen Lettern darauf, das muss es wohl sein.
Ich drücke die ebenfalls rote Klingel neben dem Schild, und aus der Gegensprechanlange trötet mir eine Frauenstimme »Hinterhaus, zweiter Stock!« entgegen. Keuchend laufe ich durch den Torbogen Richtung Innenhof und reiße die Tür zu einem ziemlich miefigen Altbau auf. Schick ist anders, jede einzelne Treppenstufe knarrt, als würde sie gleich unter mir zusammenbrechen. Im zweiten Stock hängt an der linken Tür das gleiche Schild wie draußen, ich klingele ein weiteres Mal, ein Summer brummt, und schon stehe ich in einem großen Flur mit Empfangstresen, hinter dem eine Dame mittleren Alters sitzt und mich anlächelt.
»Zum Seminar?«, fragt sie freundlich.
»Ja«, bringe ich japsend hervor.
»350 Euro bitte«, teilt sie mir, immer noch freundlich, mit. Oh, die sind hier ja auf Zack, nicht mal die Jacke hab ich abgelegt, da werde ich schon zur Kasse gebeten. Na gut, es ist ja auch schon fast fünf Uhr, keine Zeit mehr für Höflichkeitsfloskeln.
»Sie nehmen auch EC-Karten?«, will ich wissen. Statt einer Antwort holt sie lächelnd ein Lesegerät hervor und stellt es auf den Tresen. »Bekomme ich auch eine Rechnung?« Wer weiß, vielleicht geht das bei der Steuer ja als »berufliche Weiterbildung« durch oder so, obwohl ich da so meine Zweifel habe.
»Sicher«, erwidert die Frau, »allerdings ist unser Drucker momentan defekt, wenn Sie mir Ihre Adresse aufschreiben, schicke ich sie Ihnen zu.«
Zwei Minuten später bin ich um 350 Euro ärmer und denke an mein sowieso schon geschröpftes Konto, das sich meist am oberen Limit meines Dispokredits bewegt. Aber immerhin darf ich dafür meine Jacke an der Garderobe parken und werde von der Empfangsdame in einen großen Raum geführt, der an ein Wartezimmer erinnert: In einer großen U-Form stehen etwa fünfzehn Stühle, bis auf drei sind alle besetzt. Demnach starren mich geschätzte dreizehn Augenpaare an. Ziemlich rote Augenpaare, die Mehrzahl der anwesenden Frauen (nur einen einzigen Mann kann ich auf den ersten Blick entdecken) wirkt ziemlich verheult, hier und da prustet jemand geräuschvoll in ein Taschentuch. Eine ganz fröhliche Runde also, aber was hatte ich auch erwartet? Eine karnevalistische Prunksitzung?
»Suchen Sie sich einfach einen Platz aus, Herr Schüttler kommt gleich«, sagt die Dame vom Empfang. Unsicher nicke ich den anderen zu und steuere einen freien Stuhl direkt neben dem männlichen Seminarteilnehmer an. Der wirkt nicht
ganz so betrübt wie die restliche Trauergemeinde, dazu hat er feuerrote Locken, die ihm in alle Himmelsrichtungen vom Kopf abstehen, sein Gesicht ist mit lustigen Sommersprossen übersät. Wie Pumuckl in attraktiv, vielleicht wollte der ja tatsächlich zum Fasching.
»Ich bin Lars«, begrüßt er mich, sobald ich Platz genommen habe.
»Pia«, antworte ich. Er beugt sich ziemlich nah zu mir rüber und flüstert mir ins Ohr. »Endlich mal eine, die nicht heult. Hab mich schon gefragt, in was ich hier hineingeraten bin.«
»Keine Sorge«, flüstere ich zurück, »das mit dem Heulen kommt bei mir noch.« Wir grinsen uns an, mein Sitznachbar scheint immerhin schon mal ganz nett zu sein.
»Und seit wann ist bei dir Schluss?«, will er wissen und spricht jetzt in normaler Lautstärke.
»Fast drei Wochen«, erkläre ich. »Und bei dir?«
»Fünf Monate.«
»Fünf Monate?«, staune ich. »Und du bist immer noch nicht drüber weg?« Ich habe den Satz noch nicht ganz vollendet, als mir schon klar wird, wie blöd das klingt. »Sorry«, schiebe ich schnell hinterher, »das war nicht sehr sensibel von mir.«
»Schon gut.
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