Voll auf Ex-Kurs Roman
über diese handfeste Unverschämtheit – ich möchte fast sagen, diese handfeste Beleidigung – hinwegsehen würde, bliebe da immer noch ein Problem, das es mir unmöglich macht, über den Vorschlag der Müllmänner auch nur ansatzweise nachzudenken: Eine bundesweite Werbekampagne dürfte nämlich so ziemlich das genaue Gegenteil von »komplett auf Tauchstation gehen« sein. Wenn Basti mich sieht, wie ich Baumarktprodukte anpreise und dabei auf meinen Expartner schimpfe, dürften meine Chancen, ihn irgendwann doch wieder zurückzubekommen, gegen null gehen.
»Vielleicht sollten wir das alles später in Ruhe besprechen«, bringt mein Chef hervor, und ihm ist anzuhören, dass er gerade allergrößte Mühe hat, ruhig zu bleiben. »Wir haben Frau Weiland wohl ein bisschen mit unserer Idee überfallen«, wendet er sich dann entschuldigend an Petersen und Winkel.
»Nein«, widerspreche ich. »Das heißt, doch, Sie haben mich überfallen. Aber darum geht es gar nicht. Es ist einfach so, dass ich das grundsätzlich nicht machen werde. Darüber muss ich nicht erst groß nachdenken.«
»Frau Weiland«, setzt Roland Behrmann wieder an.
»Nehmen Sie doch Frau Kerstens«, unterbreche ich ihn und deute lächelnd auf Barbara. »Die ist doch eh viel fotogener als ich.« Ha! Was für ein Schachzug, damit komme ich
garantiert ganz schnell aus dieser Nummer wieder raus. War ja mehr als offensichtlich, dass Hardy Petersen und Martina Winkel von meinem Anblick nicht ganz so … angetan waren wie von den blonden Locken meiner Kollegin. Also stelle ich mein gekränktes Ego – Großmut, dein Name ist Pia Weiland – mal hinten an und lasse Barbara den Vortritt.
»Vielleicht gar keine schlechte Idee«, kommt es prompt von Petersen. Dabei nimmt er Babs ins Visier und stellt sich wahrscheinlich schon vor, wie sie anmutig von großformatigen Plakaten herunterlächelt. Ich sag’s ja immer wieder, es gibt keinen Mann, der Barbaras Liebreiz widerstehen könnte. Und offenbar auch keine Frau, denn auch Martina Winkel nickt ganz begeistert.
»Das könnte ich mir auch gut vorstellen«, gibt sie ihrem Chef Recht.
»Tut mir leid«, meint Barbara und setzt eine bedauernde Miene auf. »Das halte ich für keine gute Idee. Die Kampagne wäre dann nicht mehr authentisch, ich bin schließlich«, ein maliziöses Lächeln in meine Richtung, »glücklich verheiratet. Und Authentizität, das ist bei einem Testimonial das Allerwichtigste, sonst glauben die Leute da draußen es nicht. Wissen Sie, Herr Petersen«, sie klappert mit ihren langen Wimpern, »man darf den Endverbraucher auf gar keinen Fall für dumm verkaufen. Das merkt der nämlich und nimmt es übel.«
»Authentizität?«, blöke ich sie an. »Was redest du denn da für einen Unsinn! Seit wann geht es um Authentizität? Wer denkt denn schon im Ernst, dass Verona Pooth Klamotten von kik trägt oder Michael Schumacher und Kimi Räikkönen Spaß daran haben, in einem Kleinwagen von Fiat rumzugurken?«
»Aber genau das ist doch der Punkt«, wendet meine Kollegin
ein. »Eben weil das niemand glaubt, sollten wir es besser machen. Selbst, wenn Verona tatsächlich ein paar Socken von kik in ihrem Kleiderschrank hat, kauft man ihr das nicht ab. Und gerade deshalb ist es für den Erfolg Ihrer Kampagne, Herr Petersen, Frau Winkel, so immens wichtig, da auf jeden Fall authentisch zu sein.«
»Hm«, Petersen nickt, »das klingt einleuchtend.«
»Sag ich doch!« Barbara lehnt sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück. »Vor allem, weil ich mir vorstellen könnte, dass diese Form der Kampagne in erster Linie Single-Frauen ansprechen wird, die keinen Partner haben, der ihnen mal kurz ein Regal andübelt. Da müssen sie sich schon selbst auf den Weg in den Baumarkt machen – und zwar in eine Filiale von Müllermanns! Was meinen Sie, was passieren würde, wenn herauskommt, dass das Testimonial in Wahrheit verheiratet ist? Da wäre die Enttäuschung mit Sicherheit riesig!«
»Ich bin auch verheiratet«, mache ich einen verzweifelten Versuch, Barbaras flammende Authentizitäts-Rede zu entkräften.
»Aber du wirst im Dezember geschieden, wenn ich richtig informiert bin.« Okay, ich halte die Klappe, bevor das hier alles noch schlimmer wird.
»Also«, Hardy Petersen wirkt noch unentschlossen und wiegt nachdenklich seinen Kopf hin und her, »was meinen Sie denn dazu?« Er blickt zu seiner Assistentin und meinem Chef.
»Die Argumentation erscheint mir durchaus logisch und nachvollziehbar. Von daher wäre ich
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