Voll auf Ex-Kurs Roman
hartem Brot zu füttern, will ich mir nicht vorwerfen müssen, ich hätte mein Glück für ein bisschen Kohle und wegen einer nervigen Kollegin verkauft.« Ich versuche, so aufmunternd wie möglich zu klingen. »Komm schon, die Sache mit Ursula stehen wir schon irgendwie durch. Wenn der Chef sich erst einmal beruhigt hat, gehst du zu ihm und erklärst ihm die Lage. Bist doch sein Liebling, dir wird er doch keinen Wunsch abschlagen.«
»Fragt sich nur, wie lange es dauert, bis er sich beruhigt.«
»Höchstens ein paar Wochen, da bin ich sicher.«
»Wochen?« Meine Kollegin verdreht entsetzt die Augen. »Jede Sekunde in einem Raum mit Wuschi-Uschi ist eine Qual, wie soll ich das denn durchstehen?«
»Indem du daran denkst, dass es für eine gute Sache ist.«
»Welche gute Sache denn?«
»Na, für mein Liebesleben. Wenn das mal keine gute Sache ist!«
Wir gehen wieder hinein, Ursula hat sich mittlerweile mein Telefon geschnappt – sie selbst hat ja noch keins – und lamentiert mit irgendjemandem darüber, dass sie umgesetzt wurde und dass es immer schlimmer wird in der Agentur und sie kurz vorm Burnout steht und überhaupt. Das kann ja wirklich heiter werden! Von wegen: »Ich hoffe nicht, dass eine von euch ständig an der Strippe hängt«!
Ich begebe mich zurück an meinen Platz, mein Blick fällt auf die vier großen Mappen, die quer über meiner Tastatur liegen.
»Ursula?«, unterbreche ich das Gejammer meiner Kollegin.
»Moment mal«, spricht sie in den Hörer und sieht mich an. »Was ist denn?«
»Hast du mir die Sachen auf meinen Tisch gelegt?« Sie nickt. »Und was ist das?«
»Der Apfelhof-Kunde«, erklärt sie. »Behrmann meint, du würdest das ab sofort wieder betreuen.«
»Und die anderen Mappen?«
»Das eine ist so ein neues Durchfallmittel, das im Frühjahr auf den Markt kommen soll. Dann habe ich dir noch Unterlagen über eine Schraubenfabrik und ein Sanitätshaus hingelegt. Soll ich alles dir übergeben, hat der Chef gemeint.«
»Aha.« Wuschi-Uschi vertieft sich wieder in ihr Telefonat, ich starre erschüttert auf die Mappen vor mir. Äpfel, Durchfall, Schrauben und Gesundheitsbandagen. Das ist nicht gemein, das ist perfide! Und noch perfider ist die Art und Weise, wie Barbara mich nun angrinst, bevor sie sich vollkommen selbstzufrieden ihrem Bildschirm zuwendet.
Ich fasse also zusammen: Wuschi-Uschi und nur noch Horror-Etats auf der einen Seite – zwanzigtausend Euro, ein neuer Computer, interessante Projekte sowie Barbaras und mein Seelenfrieden auf der anderen. Mit einer energischen Handbewegung drücke ich die Gabel an der Station meines Telefons hinunter und bringe Ursulas Gespräch damit zu einem gewaltsamen Ende.
»He!«, beschwert sie sich und sieht mich fassungslos an. »Was soll denn das, du kannst doch nicht einfach für mich auflegen!«e
»Das ist mein Apparat«, teile ich ihr ungerührt mit und winke mit einer Hand den Hörer rüber zu mir, »und ich muss jetzt gerade mal ein ziemlich wichtiges Telefonat führen.« Verunsichert
reicht Uschi mir das Telefon. »Danke.« Ich tippe die Durchwahl des Chefs ein, eine Sekunde später habe ich ihn an der Strippe.
»Ja, Frau Weiland?«
»Okay. Ich mach’s.«
»Sehr einsichtig von Ihnen.«
»Aber dann …«
»Sie und Frau Kerstens werden sofort wieder allein sitzen. Da lag wohl ein kleines Missverständnis vor.«
»Sicher«, belle ich in den Hörer, »ein Missverständnis! Was sonst?« Roland Behrmann lacht amüsiert auf.
»Sehen Sie, Frau Weiland, jeder kämpft halt mit seinen Waffen. Und nun bin ich sehr erfreut, dass Sie endlich zur Vernunft gekommen sind. Morgen Vormittag besprechen wir dann die Details der Kampagne. Hardy Petersen und Martina Winkel haben da schon ein paar sehr schöne und konkrete Ideen und wollen so schnell wie möglich damit loslegen.«
»Ich kann’s kaum erwarten!« Dann donnere ich den Hörer zurück auf die Gabel und schiebe als nächste Amtshandlung die Mappen zurück auf Uschis Tisch.
»Und was wird das nun?«, fragt sie.
»Hast du doch eben gehört. Da lag nur ein Missverständnis vor, die Etats bleiben bei dir.«
»Behrmann hat aber doch gesagt …«
»Vergiss, was er gesagt hat! Und wenn ich dir einen Rat geben darf: Du kannst schon mal anfangen, deine Sachen wieder zusammenzupacken.«
»Das versteh ich nicht.« Uschi wirkt so perplex, dass sie mir schon fast leidtut. Aber nur fast. Und so leid, dass ich dafür ihr Gesabbel ertrage und mich mit Durchfallmitteln rumschlage – nein,
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