Voll daneben
Ich lasse mich wieder aufs Kissen fallen und ziehe mir die Decke über den Kopf.
»Irgendwas wird er doch unternehmen wollen.«
»Der Park!«
»Was für eine blöde ... Man kann doch nicht mit einem Teenager in den Park gehen!«
»Dann halt ein Museum. Darleen liebt Museen.«
»Hört auf, Jungs. Darleen ist ein verdammtes Wunderkind. Als wir siebzehn waren, sind wir da je in ein Museum gegangen? Nein. Wir müssen uns daran erinnern, was wir in seinem Alter so gemacht haben.«
»In Frauenkleidern auf Glam-Rock-Konzerte gehen?«
»Sei still. Orlando, du bist doch der Lehrer. Lass dir was einfallen! Ich werde jetzt an die Tür klopfen, und dann sagst du was. Ich zähle bis drei. Eins, zwei ...«
Ich halte das nicht länger aus. Also mache ich die Tür auf, und Tante Petes Faust schlägt mir beinahe mitten ins Gesicht. Eddie und Dino versuchen krampfhaft, sich locker an den Kühlschrank zu lehnen, wodurch zahlreiche Magneten in Bierdosenform herunterfallen. Orlando sitzt auf einem Barhocker in der Küche.
»Morgen, Liam«, sagt Pete, als sei alles ganz normal. Ich versuche zu lächeln, bringe aber nur ein schmerzhaftes Stirnrunzeln zustande.
»Hi.«
Tante Pete steckt die Hände in die Taschen.
»Wir, äh ... wir wollten sehen, ob du schon wach bist.«
Ich nicke. »Ja, bin ich.«
»Das Museum«, platzt Eddie heraus. »Wir dachten, du willst vielleicht ins Technikmuseum gehen, das ist nur ein paar Ortschaften weiter. Es ist zwar klein, aber ich bin früher immer mit meiner Cousine hingegangen, und der hat es gefallen. Du wirst sie bald kennenlernen, weil sie nebenan wohnt. Wir könnten sie heute mitnehmen, wenn ihr beide gehen wollt, und ...«
Dino grinst. »Gut gemacht, Eddie«, sagt er. »Echt gut gemacht.«
Alle sehen Eddie an, und sein Gesicht verfärbt sich grellrosa. Der Farbton ist fast genau derselbe wie der von dem Seidenhemd, das er anhat. Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob man in seinem Kleiderschrank auch andere Farben findet, aber das sage ich lieber nicht. Außerdem frage ich mich, ob Eddies Cousine das Mädchen ist, das ich gestern zusammen mit seinem Vater gesehen habe.
»An deinem ersten Tag hier willst du doch sicher nicht ins Museum gehen«, sagt Tante Pete, zu mir gewandt. Es klingt wie einZwischending zwischen einer Frage und einer Bemerkung, und wieder einmal weiß ich nicht, welche Antwort er hören will. Die ehrliche Antwort wäre definitiv ein Nein.
»Wir könnten, äh, ins Museum gehen«, sage ich. »Ich mag Museen ...«
Aus der Küche ertönt Orlandos Gelächter.
»Liam«, sagt er, »wie wär’s mit Frühstück? Lass dir mit dem Aufstehen ruhig Zeit, und wann immer du so weit bist, könnten wir Frühstück machen. Oder Mittagessen für diejenigen von uns, die seit dem Morgen auf sind.«
Tante Pete nickt. Er wirkt, als würde er gleich zusammenklappen. »Ja«, sagt er.»Ganz richtig. Wir machen, was immer du willst.«
Dino grinst, und Eddie seufzt laut. Ich hole tief Luft. Frühstück ist eindeutig besser als ein Technikmuseum.
Ich habe den Eindruck, »lass dir ruhig Zeit« bedeutet keine Stunde. Die Jungs hängen im Wohnzimmer herum, während ich gefühlte hundert Mal den Weg zu dem winzigen, verdreckten Bad am anderen Ende des Mobilheims gehe. Ich überlege, ob ich mich beeilen soll, aber das Aufstehen ist ein Ritual für mich, also führe ich jeden Schritt mit Sorgfalt aus. Ich dusche, rasiere mich, trage Aftershave auf und wähle ein Parfüm aus – eines, das zu meiner Stimmung passt –, dann stelle ich das richtige Outfit zusammen. Nichts Topmodisches oder so was – das eignet sich besser für den Laufsteg –, sondern einfach nur die Marken und Designerstücke, die passend und gleichzeitig interessant genug sind, um die Aufmerksamkeit anderer zu erregen.
Das Aufstehen ist der einzige Teil meines Alltags, bei dem ich sicher sein kann, ihn nicht zu vermasseln.
Zu Hause lasse ich keinen meiner Freunde wissen, was für mich alles dazugehört. Wenn sie die vielen Produkte bemerken, die inmeinem Zimmer herumstehen, sage ich ihnen, ich würde sie kostenlos von den Stilberaterinnen bekommen, die die Boutique meiner Mutter beliefern. Was zum Teil auch stimmt. Aber viele von ihnen kaufe ich auch selbst. Das treibt meinen Vater in den Wahnsinn. Sein Spruch klingt mir in den Ohren: »Du bist schlimmer als mein schwuler Bruder!«, aber in Wirklichkeit besitzt Tante Pete kein einziges Produkt außer einer großen Flasche Haarspray aus den achtziger Jahren und einen
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