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Voll daneben

Voll daneben

Titel: Voll daneben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. L. Going
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geschockt ist.
    »Was isst du gern?«, frage ich, worauf er sich windet.
    »Fleisch«, sagt er. »Hauptsächlich Fleisch.«
    Anschließend fällt keinem von uns mehr etwas ein, was wir noch sagen könnten. Daher betrachte ich die Gegenstände an der Wand. Seltsames Zeug. Da hängen ein ausgestopfter Kugelfisch und ein riesiges gerahmtes Bild von einem Typ in einem goldfarbenen Elastikanzug mit Leopardenmuster.
    Krass .
    »Wozu ist denn das Surfbrett?«, fragt Tante Pete, als die Stille unerträglich wird. Ich frage mich, ob er sich über mich lustig macht.
    »Zum Surfen.«
    Pete kneift die Augen zusammen. »Dass es in Pineville, New York, weit und breit keinen Strand gibt, ist dir aber klar, oder? Wir sind meilenweit vom Meer entfernt, und selbst da gibt es keine echten Wellen zum Surfen.«
    Klar weiß ich das. So dumm bin ich nun auch wieder nicht. Trotzdem werde ich ihm jetzt nicht erklären, dass Dad es mir gekauft hat.
    »Ja«, sage ich. »Das weiß ich.«
    Tante Pete steht auf und streckt sich übertrieben gelassen.
    »Also dann«, sagt er. »Dann werde ich uns wohl was zum Abendessen machen. Irgendwo muss ich noch etwas Gemüse haben.« Er geht in die Küche. »Eine große Auswahl gibt es leider nicht.« Er kommt mit zwei Schachteln Tiefkühlspinat vom Gefrierschrank zurück. »Sieht aus, als gäbe es heute Abend Spinat.«
    Ich will sehen, mit welchem Rezept er den Spinat zubereiten wird, aber er leert die Schachteln einfach in zwei Plastikschüsseln, stellt sie in die Mikrowelle, und als sie heiß sind, reicht er mir eine Schüssel.
    In diesem Moment wird mir klar, dass sich mein Leben von Grund auf geändert hat. Es ist, als hätte ich die ganze Zeit über bei einem ausgedehnten Spiel mitgespielt, aber als er mir den Spinat reicht, habe ich verstanden. Das hier ist kein Spiel. Niemand wird kommen und mich hier rausholen. Ich werde mit diesem Menschen zusammenleben.
    Von nun an werde ich tiefgefrorenen Spinat aus der Schachtel essen und zerknitterte Kenneth-Cole-Hemden tragen – bis zu dem Tag, an dem ich aus dem Gefängnis Wohnwagensiedlung entlassen werde.
    Mein Leben ist offiziell vorbei.

9
    ICH TRÄUME VON MOM.
    Sie posiert bei einem Fotoshooting, während Dad und ich an der Seite stehen und ihr zuschauen. Ein männliches Fotomodel steht hinter ihr. Es ist eines der bekanntesten Models der Branche. Er ist groß. Blond. Braun gebrannt. Muskulös. Das Model trägt Footballmontur und berührt Mom. Er streicht mit der Hand über ihren ganzen Körper, aber das ist nicht schlimm, weil es zu Moms Job gehört. Sie hat es mir vorher erklärt. Ich starre die beiden an und beobachte, wie sich ihre Gesichtsausdrücke mit dem Licht verändern, doch Dad sieht sie nicht an. Er beobachtet mich. Ich bin zehn, und obwohl die meisten anderen Kinder in meinem Alter schon in ihre linkische Phase gekommen sind, sehe ich aus wie eine kleinere Version meines jetzigen Äußeren. Dad wirft einen Blick auf das männliche Model. Dann betrachtet er wieder mich.
    »Willst du wissen, wer dein richtiger Vater ist?«, fragt er.
    Erschrocken sehe ich ihn an.
    »Ich zeige ihn dir«, bietet er mir an.
    »Du bist mein Vater«, sage ich, aber er schüttelt den Kopf.
    »Sieh hin«, sagt er. »Das ist jetzt dein Vater.«
    Ich blicke auf. Das männliche Fotomodel ist verschwunden. Tante Pete posiert neben Mom. Sein Bierbauch hängt über einer Badehose mit Leopardenmuster. Er dreht sich nach mir um und grinst.
    Schweißgebadet schrecke ich hoch. Mein Herz rast, und einen Moment lang glaube ich, bei dem Fotoshooting in Paris zu sein, doch neben meinem Kopf liegt das Surfbrett, und überall stehen Koffer herum. Dann denke ich, ich bin zu Hause, aber ich höre Stimmen. Zu Hause ist nie jemand da. Eine Sekunde lang denke ich, das Haus wird gerade wieder renoviert, aber dann merke ich, dass die flüsternden Stimmen über mich reden.
    »Wir können ihn doch nicht einfach wecken.«
    »Warum nicht? Es ist schon Mittag. Ich gehe jetzt –«
    »Nein!«
    »Was meinst du mit ›Nein‹? Er wird nicht mit einem Knall explodieren, nur weil ich ihn mittags wecke.«
    »Teenager brauchen ihre Privatsphäre.«
    Jemand schnaubt verächtlich. »Wenn er so weitermacht, hat er nichts außer seiner Privatsphäre. Irgendwann muss er doch aufstehen.«
    »Klopf einfach an die verdammte Tür.«
    Entsetzt richte ich mich auf. Plötzlich fällt mir alles wieder ein, und mir wird klar, wo ich bin: in Tante Petes Mobilheim in einer Wohnwagensiedlung im Bundesstaat New York.

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