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Voll daneben

Voll daneben

Titel: Voll daneben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. L. Going
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der Natur«, murmelt er, während wir am ersten Mobilheim vorbeilaufen.
    Wir laufen so langsam, dass sich meine Beine kaum bewegen. Ich spiele mit dem Gedanken, neben ihm herzugehen, aber ich möchte seine Gefühle nicht verletzen.
    »Wenn Orlando das hört!«, fügt Pete hinzu.
    Ich laufe ein kleines bisschen schneller.
    »Seid ihr schon lange zusammen?«
    Tante Pete nickt. »Seit der Highschool – mit Unterbrechungen.«
    Das ist eine sehr lange Zeit, wenn man so alt ist wie er.
    »Warum lebt ihr nicht zusammen?«
    Pete bleibt stehen. »Das ist kompliziert«, und ich runzle die Stirn, denn seit ich mich erinnern kann, habe ich diesen Satz immer wieder zu hören bekommen.
    »Wie kompliziert kann es denn sein?«, frage ich und bemühe mich, den scharfen Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken. Pete wirft mir einen Seitenblick zu.
    »Na ja«, sagt er und wischt sich den Schweiß von der Stirn, »manchmal lieben sich zwei Menschen, aber wenn sie versuchen zusammenzuleben, machen sie sich gegenseitig verrückt.«
    Ich schnaube verächtlich. Als wüsste ich das nicht längst.
    »Haben Gram und Gramps dich deswegen rausgeworfen? Wegen Orlando?«
    Tante Pete hebt die Füße beim Laufen kaum vom Boden. »Nein«, sagt er laut keuchend. »Sie haben mich aus dem Haus geworfen ... weil dein Großvater ... mich dabei erwischt hat ... wie ich ein Kleid deiner Großmutter anprobiert habe ... Du kannst dir sicher vorstellen, wie ... gut das ankam.«
    Ich muss zugeben, das kann sogar ich nicht mehr toppen. »Wo bist du damals hingegangen?«, will ich wissen. »Ich meine, hinterher?«
    »Ich ging zu ... Orlando«, sagt er, während er nach Luft schnappt. »Seine Eltern waren viel ... offener. Sie nahmen mich auf ... bis ich mit der Schule fertig war.«
    Ich mache nur halbe Schritte, damit er mit mir mithalten kann. »Seitdem seid ihr also zusammen?«
    »Ja. Davon wussten seine Eltern natürlich nichts.« Keuch . »Ich meine ... wir reden hier von den Siebzigern.« Keuch, keuch . »Offenheit in Form von Fürsorge, Toleranz und Großzügigkeit ist das Eine. Ein echtes Coming-out ist was ganz anderes.«
    Er bleibt kurz stehen und legt sich die Hände auf die Knie.
    »Ich muss mir nur die Schuhe zubinden«, sagt er, obwohl seine Schnürsenkel längst zugebunden sind. Umständlich kniet er sich hin und bindet jeden Schuh sehr langsam auf. Dann bindet er ihn wieder zu und überprüft beide Knoten zweimal.
    »Wenn du willst, können wir zurückgehen«, biete ich ihm an, doch Tante Pete hält eine Hand hoch, um mich zum Schweigen zu bringen.
    »Auf keinen Fall«, sagt er. »Soll das ein Witz sein? Es ist toll. Macht unheimlich viel Spaß.«
    Er zwingt sich zu einem Lächeln, das sehr schmerzhaft wirkt. Für eine ganze Weile stelle ich keine weiteren Fragen.
    »Eure Band ist also ziemlich erfolgreich«, sage ich schließlich. »Wie kommt es, dass du, äh, hier wohnst?«
    Das kam nicht richtig rüber, doch Pete sieht aus, als würden ihm alle Knochen so wehtun, dass es ihm egal ist. Er versucht zu lachen, aber es ist eher ein Keuchen.
    »In Pineville ... leben meine Freunde«, sagt er. »Und die Band ... feierte ihre größten Erfolge ... vor vielen Jahren ... bevor der Glam Rock gestorben ist ... es war ein schmerzhafter Tod ...« Bei dem Wort Tod hält Tante Pete inne und schnappt nach Luft. Die Hände auf den Knien, bleibt er einen Moment stehen und zwingt sich dann, weiterzulaufen. »Jetzt ist die Musik nur noch ein Hobby ... aber das macht nichts ... bringt etwas Extrageld ein ...« Er sieht mich von der Seite an. »Wirst du denn ... nicht müde?«
    »Müde?«, frage ich. »Ach so, ja klar.«
    »Gut«, keucht Tante Pete. Wir laufen das restliche Stück um die Kurve herum, dann lässt er sich auf die Auffahrt fallen. Sein Hemd ist tropfnass und er keucht so laut, dass ich mir Sorgen mache, er könnte einen Herzinfarkt haben. Doch schließlich steht er auf und klopft sich den Staub ab.
    »Super Training«, sagte er, während er zur Haustür schwankt. »Müssen wir öfter machen.«

14
    DAD UND ICH sitzen einander gegenüber im Büro der Schulpsychologin. Wir sind hier, um darüber zu reden, dass ich wegen zu vielen Nachsitzens schon wieder vom Unterricht ausgeschlossen worden bin.
    »Liam, die Verstöße gegen die Schulordnung, wegen denen du nachsitzen musstest   – Reden im Unterricht, deine Hausaufgaben nicht gemacht, Kaugummi gekaut, SMS geschrieben, mit Mädchen auf dem Flur herumgemacht, zu spät gekommen, die erste Stunde

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