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Voll daneben

Voll daneben

Titel: Voll daneben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. L. Going
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stark, findest du nicht?«
    Orlando legt die Blätter hin
    »Nein«, sagt er, »›finde‹ ich nicht. Würde ein College so etwas akzeptieren? Nein, würde es nicht. Und deswegen will ich, dass du den Aufsatz noch einmal schreibst.«
    Enttäuscht sehe ich ihn an. Ich habe eine halbe Stunde damit verbracht, diesen Aufsatz zu schreiben. Meine Hand tut mir immer noch weh. Ich habe seine Anweisungen genau befolgt und verdiene eine Eins.
    »Es ist ein guter Aufsatz«, sage ich, »und wenn du ihn noch einmal durchlesen würdest ...«
    Orlando schweigt für einen Augenblick.
    »Ich beurteile in diesem Klassenraum, welcher Aufsatz gut ist«, sagt er. »Und egal, wie oft ich ihn durchlesen würde – er wäre immer noch kein College-Standard. Alle anderen Schüler haben es geschafft, etwas Positives über sich zu schreiben, und ich weiß, das kannst du auch. Ich möchte, dass du ihn noch einmal schreibst.«
    Mir steigt das Blut ins Gesicht. Ich greife nach meinen Blättern und lege sie wieder hin.
    »Ich hab alles getan, was du gesagt hast, und es ist nicht fair, dass ich ihn noch einmal schreiben soll, nur weil er dir nicht gefällt.«
    Orlando steht vor meinem Tisch. Langsam sieht er aus wie Dad kurz vor seiner Standpauke. Fleckig im Gesicht.
    »Erstens«, sagt Orlando und beugt sich zu mir vor, »ist es egal,ob du es für fair hältst oder nicht. Zweitens hast du nicht getan, was ich gesagt habe. Ich habe deutlich gemacht, dass der Zweck der Übung ist, etwas Positives über sich zu schreiben, und du bist ein toller Junge, und deswegen weiß ich, dass du es besser machen kannst. Nenne mir etwas, in dem du gut bist.«
    »Ich bin gut darin, alles zu vermasseln.«
    »Jeder ist in irgendwas gut«, kontert Orlando. »Erzähl mir nicht, es gäbe keinen einzigen positiven Aspekt an dir, den du aufschreiben könntest!«
    Ich starre wütend vor mich hin und wünsche mir, dass ein Feuer ausbricht.
    »Du hast danach gefragt, was ich am besten kann. Ich habe die Frage beantwortet, und das ist die ehrliche Antwort. Jetzt hast du es dir anders überlegt, und das ist ungerecht.«
    Orlando holt tief Luft.
    »Ich gebe dir eine zweite Chance«, sagt er, »weil ich möchte, dass du es schaffst. Ich werde dir keine Sechs für diesen Aufsatz geben. Ich gebe dir die Chance, ihn noch einmal zu schreiben und dir ein anderes Thema zu suchen. Etwas, das den Geist der Aufgabe widerspiegelt. Ich will, dass du dir was anderes einfallen lässt.«
    »Es gibt aber nichts anderes!« Ich klatsche meinen Stift auf die Tischplatte, und Orlando holt langsam noch einmal tief Luft. Wie bewusstes Atmen bei einer Zen-Übung.
    »Liam«, sagt er, »du sprichst fließend Französisch, verflucht noch mal. Alle fanden deine Nachrichten großartig. Du warst schon überall auf der Welt. Eddie sagt, dass du alles über Mode weißt ...«
    Ich sehe ihn wütend an. »Diese Sachen zählen nicht.«
    »Sagt wer?«
    »Sage ich . Französisch zu sprechen ist genauso wie Englischzu sprechen. Wenn man in irgendeinem Land lebt, lernt man ganz einfach seine Sprache. Und die Schulnachrichten habe ich total vermasselt, weil ich sie eigentlich vermasseln wollte und stattdessen jeder sie toll fand. Das ist der Beweis für meine These.«
    Orlando schließt die Augen.
    »Warum um alles auf der Welt hast du versucht, die Schulnachrichten zu vermasseln?«
    Ich seufze. »Das geht dich nichts an. Ich wollte es halt. Und selbst wenn ich es nicht gewollt hätte, wäre es immer noch nicht das gewesen, was ich am besten kann. Ich schreibe gar nichts noch mal, also kannst du mir auch gleich die Note geben, die ich verdient habe.«
    Jetzt verschränkt Orlando die Arme. »Ich lasse dich nachsitzen – das werde ich dir geben. Von nun an darfst du jeden Tag nach der Schule hier sitzen, bis der Aufsatz fertig ist.«
    »Nachsitzen? Ich habe dafür, dass ich einen verdammt guten Aufsatz geschrieben habe, auf keinen Fall Nachsitzen verdient!« Ich nehme mir wieder meine Zettel. »Also gut. Was willst du haben?«
    »Es geht nicht darum, was ich haben will«, sagt Orlando. »Es geht darum, was du schreiben willst.«
    Vor Wut knirsche ich mit den Zähnen. »Ich habe geschrieben, was ich schreiben wollte, und das hat dir nicht gefallen. Woher soll ich also jetzt wissen, was ich schreiben soll?«
    Orlando stößt einen Seufzer aus.
    »Darauf musst du wohl oder übel selber kommen.«

32
    DAS ERSTE, WAS ICH HÖRE, als ich die Tür des Mobilheims aufmache, ist Tante Petes knurriger Ton.
    »Du bist spät

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