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Voll erwischt

Voll erwischt

Titel: Voll erwischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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sich vor einen kahlen Schreibtisch setzen mußte. Neben der Tür postierten sie einen großen, schlaksigen und lächerlich jungen Polizeibeamten. Er sagte nichts. Sam nahm an, er war dort, um zu verhindern, daß Sam Selbstmord beging, also lächelte er ihn freundlich an und fragte: «Sollen Sie mich davon abhalten, Selbstmord zu begehen?» Der Polizist sagte immer noch nichts. Die ersten fünf Minuten rechnete Sam damit, daß Geordie kam, erkannte dann aber, daß sie ihn getrennt untergebracht hatten.
    Aber warum? Geordies Fahrkünste waren an diesem Morgen nicht gerade spektakulär gewesen, aber sie mit dieser unangenehmen Einzelhaftnummer zu konfrontieren, schien doch eine leicht übertriebene Reaktion. Sam zuckte die Achseln und richtete sich darauf ein, noch länger zu warten. Es hatte wenig Sinn, herausfinden zu wollen, wie der Verstand eines Bullen funktioniert. An jenem Tag vor langer, langer Zeit, als Gott die Gehirne verteilte, hatten sich die Bullen dieser Welt nicht mal in der Schlange angestellt; sie kamen am nächsten Tag, zumindest ein paar, diejenigen, die den Weg fanden.
    Die zwei, die dann hereinkamen, Chief Inspector Delany und sein Handlanger Sergeant Thomson, waren alte Freunde von Sam Turner. Verschiedentlich hatte Sam ihnen erklären müssen, daß sie die dümmsten Menschen waren, denen er in seinem ganzen Leben begegnet war, selbst für Bullen. Aber sie hörten nicht zu. Besonders Delany hörte nicht zu. Er war ein großer Redner vor dem Herrn.
    «Kennen Sie Angus Scott?» fragte er.
    «Gus? Sie wissen doch, daß ich ihn kenne», sagte Sam. Warum fragten sie ihn nach Gus? Sam bekam plötzlich ein beklommenes Gefühl. Kalt. Aber er erkannte den Zusammenhang nicht. «Was hat er denn gemacht?» fragte er.
    Delany lächelte. «Ich glaube, die Fragen sollten doch wohl eher wir stellen, Mr. Turner.» Er war ein heimtückisches Wiesel. Sah Charlie Chaplin in der Rolle des Großen Diktators nicht unähnlich. Er hatte die gleiche Tolle wie Hitler, das Ding vorne, und noch dazu die gleiche Haarfarbe. Nur sein Schnurrbart war anders: schmaler, gemeiner. Der äußere Eindruck, den er kultivierte, war schlank und gemein, das Bild, das rüberkam, glich eher einem Clown.
    «Kennen Sie Karen Ludendorff?» fragte Delany.
    Sam schüttelte den Kopf. «Nein. Was hat Gus verbrochen?»
    «Eine junge Deutsche?» fuhr Delany fort. «Lebt in einer Wohnung in der Blossom Street?»
    «Ich kenne sie nicht», sagte Sam und erinnerte sich an den Anruf. Eine sanfte Stimme, eine leise Stimme, eine Stimme, die eine Weile gewartet und nachgedacht hatte, bevor sie schließlich den Hörer in die Hand nahm und die Nummer wählte. Dann war da noch etwas: ein kaum verborgener deutscher Akzent. Karen Ludendorff. Gus’ Freundin. Sie mußte es sein.
    Delany drehte den Kopf leicht nach hinten zu Sergeant Thomson, und Thomson kam vor und setzte sich auf die Schreibtischkante. Er legte das Foto eines blonden Mädchens auf den Tisch und drehte es so, daß Sam es richtig herum sehen konnte. «Um Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, Sir. Mr. Turner, Sir», sagte er.
    Es war eigentlich nicht weiter von Bedeutung, aber falls überhaupt irgendwas, dann mochte Sam diesen Thomson noch weniger als Delany. Thomson war einen Kopf größer als Delany, und er hatte die Angewohnheit, Nadelstreifenanzüge mit breiten FIo-senaufschlägen zu tragen. Er war ein überzeugter Schreibtischhengst. Statistisch gesehen, sagte er immer wieder gern, statistisch gesehen erreicht man mit zäher, geduldiger Arbeit sein Ziel. Und das häufiger als mit allen anderen Methoden. Und das Wort «Sir» benutzte er wie einen Totschläger. Frauen sprach er mit «Ma’am» an, und sofern sie nicht völlig gefühllos waren, fühlten sie sich anschließend beschmutzt.
    Sam sah das Foto an und erinnerte sich wieder an die Stimme. Ja, das war genau Gus’ Typ. Er hatte eine Schwäche für diese Sorte Mädchen. Mädchen, die stets wie eine Jungfrau aussahen, aber es doch nie waren und auch noch nie gewesen waren. Ein Mädchen, das eher Männer als nur einen Mann brauchte. In Gus’ Vergangenheit hatte es eine ganze Reihe solcher Mädchen gegeben. Manche von ihnen hatte Sam kennengelernt, und von anderen hatte er nur gehört. Aber diese hier, das Mädchen auf dem Foto, sie hätte perfekt auf die Beschreibung fast aller gepaßt. Sie alle hatten Gus gesucht. Und Gus hatte auf alle gewartet. War für sie geboren.
    «Es hilft meinem Gedächtnis nicht auf die Sprünge»,

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