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Voll erwischt

Voll erwischt

Titel: Voll erwischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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Scott. Zunächst nicht. Sie dachte an Gus nie als Angus. Für sie war er kein Angus. Als sie Marie daher fragten, ob sie einen gewissen Angus Scott kenne, hatte sie den Kopf geschüttelt und verneint, bevor ihr bewußt wurde, daß sie ihn natürlich kannte, daß sie mit ihm zusammenlebte.
    Dann sagten sie, man hätte eine Leiche gefunden, und da fiel das Wort Unfall , und der Name einer Frau, Karen Ludendorff, obwohl sie beides nicht mit Gus in Verbindung bringen konnte. Als sie auf dem Polizeirevier eintrafen, gab es andere, die Sam und Geordie und den Waffenhändler aus Haxby erwähnten, der zusammen mit seiner Frau ermordet worden war. Und Marie dachte, daß sie ihr ganz bewußt nur Informationshappen (oder hieß es Informationsbrocken? Sie wußte es nicht) gaben. Sie glaubte, möglicherweise den Verstand verloren zu haben. Sie war hier die einzige, die wie eine Krankenschwester gekleidet war, und sie hatte noch keine Zeit zum Weinen gehabt.
    Irgendwie schien die Tatsache, daß Gus tot war, eine gewisse Realität zu besitzen. Auch wenn sie ihn nicht gesehen hatte. Seinen toten Körper nicht gesehen hatte. Als sie darüber nachdachte, wurde ihr bewußt, daß sie seinen Körper schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte. Während der letzten Wochen war ihr der Gedanke gekommen, daß er wieder ein Verhältnis hatte. Doch wann immer ihr dieser Gedanke in den Sinn kam, wischte sie ihn schnell zur Seite. Kaufte sich einen Schokoriegel.
    Sie redeten stundenlang mit ihr, so kam es ihr zumindest vor. Sie stellten ihr immer wieder die gleichen Fragen. Von Zeit zu Zeit schob der eine oder andere sein Gesicht ganz dicht vor ihres. So dicht, daß sie die blauen Bartstoppeln, die winzigen Poren und Streßfalten sah. Es waren fast ausnahmslos Männer. Normalerweise befand sich noch eine symbolische Frau im Raum, irgendwo in einer Ecke. Sie glaubten ihr nicht, daß sie keine Antworten geben konnte. Maries Gedanken machten sich selbständig. Auf dem Gang vor dem Raum, in dem sie mit ihr sprachen, hatte sich eine Kachel von der Wand gelöst und war verschwunden, hatte ein Loch hinterlassen. Eine perfekt gekachelte Wand mit einem Loch darin. Die Kachel hatte sich gelöst und war in den Himmel entschwunden.
    Und Marie mußte lächeln, als sie an die Handschellen der Polizisten dachte, und was wohl passierte, wenn die mal kaputtgingen oder jemand einen Schlüssel verlor. Benutzten sie dann statt dessen Seile?
     
    Alles passierte gleichzeitig, als man ihr sagte, sie könne gehen. Sie ging durch eine Tür, und Celia kam auf sie zu und nahm sie in die Arme, und plötzlich war Maries Gesicht feucht, Tränen strömten aus ihren Augen. «Na, na», sagte Celia. «Du armes Ding. Was haben sie nur mit dir gemacht?» Celias Arme reichten nicht ganz um Marie herum. Marie wünschte sich, sie wäre nicht ganz so dick. Sie mußte wirklich etwas dagegen unternehmen.
    Marie versuchte, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen und wieder normal zu atmen. Es kam ihr vor, als seien ihre Lungen viel zu klein und könnten nicht genug Sauerstoff aufnehmen, um sie in die Lage zu versetzen, die unmittelbar anstehenden kleinen Aufgaben zu bewältigen, wie zum Beispiel zu weinen und zu atmen und Celia anzusehen und ein paar Schritte zu der Holzbank vor der Wand zu gehen.
    Als sie die Bank schließlich erreichte und sich mit Celia setzte, wußte sie, daß sich ihr Leben von Grund auf verändert hatte und Gus tot war und mit ihm all die Träume und Pläne eines Lebens verschwunden waren. Und auf eine Art war ihr Leben bis zu diesem Punkt eine komplette Lüge gewesen, denn nichts von dem, was darin geträumt worden war, würde sich jetzt noch erfüllen. Auf wieder andere Art, auf viele verschiedene Weisen, auf mehr, als sie sich vorstellen konnte, hatte ihr Leben noch nicht einmal angefangen, niemals begonnen. Nicht bis zu diesem Augenblick. Auf dieser kleinen Holzbank im Polizeirevier wurde sie geboren.
    Dann kam Geordie in seiner Lederjacke mit dem Einschußloch im Rücken durch die Tür, und er sah ebenfalls verwirrt aus. Und kurz nach ihm kam Sam in Begleitung von diesem Rechtsanwalt, dessen Namen sich Marie nicht merken konnte, von dem sie jedoch meinte, es könnte Forester sein.
    Und Sam kam zu der Bank herüber und kniete sich vor sie, und auch sein Gesicht war naß vor Tränen.
    Sam Turner, die große Konstante. Heulte wie ein Mann.
    Marie war Krankenschwester und kannte Schmerz und Tränen. Männer wußten nicht, wie sie weinen sollten. Wenn sie

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