Voll gebissen
wenn Faith dich im verwandelten Zustand erwischen würde, hätte sie dich garantiert nicht nur gebissen.“ Obwohl es nur als Scherz gemeint war, war ich trotzdem von der Wahrheit dieser Worte überzeugt.
21 .
Die Wochen verstrichen und ich hielt mich brav an alles, was Liam mir gesagt hatte. Wenn ich mich ärgerte – und das kam in letzter Zeit sehr sehr oft vor – schluckte ich meinen ersten Zorn herunter, dachte drüber nach, ob die Situation wirklich so viel Unmut rechtfertigte und kam dann meistens zu dem Entschluss, dass alles halb so wild war und ich mich mal wieder umsonst aufgeregt hatte.
Nur g ut, dass meine neuen Körperfunktionen jetzt alle so viel stärker waren. Ein normales Herz hätte dieses Hin und Her sicherlich nicht mitgemacht.
Kyle und Amilia zu ärgern verkniff ich mir ebenfalls, auch wenn ich gestehen muss te, öfter daran gedacht zu haben. Vor allem, was Amilia betraf, aber sonst lief alles wie am Schnürchen.
Ich schaffte es sogar – ganz im Gegensatz zu Liam – mir Gemüse und Obst reinzuwürgen, obwohl das nicht mehr ganz oben auf meiner Speisekarte stand und somit meine neuen Essgewohnheiten, die fast nur noch aus Fleisch bestanden (und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber: Je blutiger, desto besser), geheim zu halten.
Einmal hatte ich für etwas Aufsehen gesorgt, als ich mit meiner Familie Essen war und mir als Vorspeise Carpaccio und als Hauptgericht ein Steak „englisch“ bestellt hatte. In normaler Sprache: Fast roh.
Aber da kam mir mein Vater zur Hilfe und erklärte me iner über alle Maßen geschockten Mutter, dass Essgewohnheiten sich eben ändern würden und es ja auch Zeit wurde, dass ich endlich mal vernünftig zu essen begann. Wie gesagt , alles lief super, wäre da nicht der heutige Tag gewesen, der meine gute Laune trübte.
Heute war Vollmond und ich war furchtbar aufgeregt. Ich hatte Angst. Angst vor der Verwandlung, Angst davor, was ich als unkontrollierbarer Werwolf tun würde und vor allem hatte ich Angst davor, das alles allein durchstehen zu müssen.
Liam hatte sogar mit mir die Schule geschwänzt und mich zum Frühstück eingeladen, doch wie immer, wenn ich aufgeregt war, bekam ich keinen Bissen hinunter.
Er hatte feinstes Rinderfilet gekauft – nicht abgehangen und somit überaus blutig – aber ich konnte nichts essen. Ich stocherte lustlos in dem Fleisch herum und dachte wehmütig an die Zeit, wo ich mich beim Anblick von blutigem Fleisch noch übergeben hätte.
Jeder, der glaubt e, es wäre cool ein Werwolf zu werden, dem konnte ich nur sagen: Weit gefehlt. Man musste so viele Einschränkungen machen und sich in allem so zusammenreißen. Diese Disziplin, die man an den Tag legen musste, war beim besten Willen nichts für mich. Kein Wunder, dass Kyle, Amilia und auch Liam immer so stocksteif und oberschnöselig daherkamen. Sie konnten gar nichts dafür. Sie mussten so sein, um den Schein zu wahren.
„Jetzt beruhige dich doch mal, Emma. Das wird alles nicht so schlimm werden“ , versuchte Liam mich aufzumuntern, doch leider erfolglos.
„ Du hast gut reden. Du hast ja Übung darin. Und außerdem musst du nicht ganz allein in den Wald.“
„Ich mach dir einen Vorschlag: Wir fahren gleich z usammen los und ich bleibe noch so lange bei dir, wie es möglich ist. Vielleicht fühlst du dich dann ein bisschen wohler?“
„Das wär toll“, gab ich mich einverstanden.
„Wir müssen nur noch meinen Eltern Bescheid sagen.“
Liam schaute auf die Uhr. „ Ja, wir können uns so langsam auf den Weg machen. Gleich haben wir offiziell Schulschluss.“
Mein Dad war zwar nicht gerade davon angetan, dass Liam mich nun zukünftig mit zu seinen monatlichen „Männerabenden“ nehmen wollte, aber nachdem sich glücklicherweise meine Mom eingemischt hatte und meinem Dad vorschwärmte, wie überaus romantisch das doch sei, gab er sich geschlagen und kommentierte das nicht weiter. Wir verabschiedeten uns also und machten uns auf den Weg.
Mit Liams Auto und bei seiner Fahrweise brauchten wir nur zwei Stunden, bis wir den Wald erreichten. Der Wanderweg, der zu der Hütte führte, fiel einem als Werwolf zwar leichter, war für mich aber immer noch beschwerlich genug.
Schnaufend kamen wir endlich an. Ok, ich kam schna ufend an. Liam war natürlich nicht aus der Puste, obwohl er noch einen schweren Rucksack getragen hatte, in dem er alles für einen gemütlichen Nachmittag dabei hatte. Eine DVD, ein paar Knabbereien und eine flauschige
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