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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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brauchte man keine unangenehmen Fragen zu befürchten. Mit dieser Erkenntnis brach er auf, um das aus Holz und Leinen bestehende Wunderland der interessanten und lehrreichen Kinematographie zu erforschen.
    Er sah Gebäude, auf deren Rückwände man andere Gebäude gemalt hatte. Er sah Bäume, die vorn Bäume waren und hinten nur Streben. Hektische Aktivität herrschte überall, doch soweit Victor das feststellen konnte, schien niemand wirklich etwas zu produzieren.
    Ein Mann, der einen langen schwarzen Mantel, einen großen schwarzen Hut und außerdem einen ebenfalls schwarzen, bürstenartigen Schnurrbart trug, war gerade damit beschäftigt, eine junge Frau zu fesseln. Niemand versuchte, ihn daran zu hindern, obwohl sich die Frau zur Wehr setzte. Zwei Personen beobachteten das Geschehen gleichgültig; neben ihnen drehte jemand die Kurbel eines Kastens, der auf einem Stativ ruhte.
    Das Opfer streckte wie beschwörend den Arm aus. Lautlos klappte der Mund auf und zu.
    Einer der beiden Zuschauer stand auf, kramte in einem Haufen aus Schildern und hielt eins vor den Kasten.
    Es war schwarz, und darauf standen weiße Worte: »Nein! Nein!«
    Der Mann trat zur Seite, woraufhin die schwarze Gestalt besonders finster dreinblickte und an ihrem Schnurrbart zupfte. Ein zweites Schild wurde vor den Kasten gehalten, diesmal mit der Aufschrift: »Ahar! Meine stolze Schönheit!«
    Der andere Zuschauer griff nach einem Sprachrohr.
    »Gut, ausgezeichnet«, sagte er. »Fünf Minuten Pause, und dann drehen wir die Kampfszene.«
    Der Schurke löste die Fesseln der jungen Frau und ging mit ihr fort. Der Kurbeldreher hörte auf, die Kurbel zu drehen, zündete sich eine Zigarette an und öffnete den Deckel des Kastens.
    »Alles mitgekriegt?« fragte er.
    Mehrstimmiges Quieken antwortete ihm.
    Victor trat näher und tippte dem Mann mit dem Sprachrohr auf die Schulter.
    »Ich habe eine wichtige Nachricht für Herrn Silberfisch«, sagte er.
    »Er ist in seinem Büro dort drüben«, entgegnete der Mann und deutete mit dem Daumen über die Schulter, ohne sich umzuwenden.
    »Danke.«
    In der ersten Hütte standen lange Reihen aus kleinen Käfigen in einem diffusen Halbdunkel. Schemenhafte Wesen warfen sich gegen die Gitterstäbe, heulten und kreischten. Victor schloß rasch wieder die Tür.
    Hinter der nächsten Pforte sah er Silberfisch, der vor seinem mit Reagenzgläsern und Papierbergen bedeckten Schreibtisch stand. Der kleine Mann kehrte ihm den Rücken zu.
    »Leg es dort drüben hin«, sagte er geistesabwesend.
    »Ich bin’s«, erwiderte Victor.
    Silberfisch wandte sich um und blickte den Besucher so an, als sei es allein Victors Schuld, daß er sich nicht erinnerte.
    »Ja?«
    »Ich komme wegen der Stelle, die du mir angeboten hast«, sagte Tugelbend. »Allerdings bin ich nicht ganz sicher – vielleicht ist es auch eine Rolle.«
    »Stelle?« wiederholte Silberfisch. »Rolle? Wovon redest du da? Und wie bist du hereingekommen?«
    »Durch die Tür«, erklärte Victor. »Das heißt, erst bin ich durch eine Lücke im Zaun geklettert.«
    Vage Besorgnis manifestierte sich in Silberfischs Gesicht. Tugelbend holte die Karte hervor und gab sich alle Mühe, damit auf eine beruhigende Weise zu winken.
    »In Ankh-Morpork?« fuhr er fort. »Vor zwei Nächten? Du bist überfallen worden?«
    Silberfisch horchte der Stimme seines Gedächtnisses und nickte langsam. »Oh, ja«, murmelte er. »Du hast mir ein wenig geholfen.«
    »Und du hast mir angeboten, bei den beweglichen Bildern mitzumachen«, betonte Victor. »Vorgestern wollte ich noch nichts davon wissen, aber inzwischen habe ich’s mir anders überlegt.« Er lächelte strahlend.
    Und er dachte: Er wird versuchen, sich irgendwie rauszuwinden. Jetzt bereut er sein Angebot. Bestimmt schickt er mich zurück zur Schlange.
    »Nun, natürlich«, sagte Silberfisch. »Viele junge und talentierte Leute möchten bei den beweglichen Bildern mitarbeiten. Es dauert nicht mehr lange, bis wir auch Ton haben. Ich meine, bist du vielleicht Tischler? Verfügst du über alchimistische Erfahrungen? Hast du jemals Kobolde ausgebildet? Was kannst du mit den Händen anstellen?«
    »Nicht viel«, gestand Victor ein.
    »Wie steht’s mit dem Singen?«
    »Oh, ich singe. Ja. In der Badewanne. Aber leider nicht sehr gut.«
    »Tanzt du?«
    »Nein.«
    »Und Schwerter? Weißt du, wie man mit einem Schwert umgeht?«
    »Äh, kommt darauf an«, antwortete Victor. Manchmal hatte er eins benutzt, in der Turnhalle, doch er war nie

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