Voll im Bilde
erklang das Geräusch von Schritten, und jemand rief: »Das ist er! Hierher, Laddie! Hierher! Bei Fuß!«
Gaspode hörte Erleichterung in der Stimme.
»Einer der Dresseure«, zischte er. »Du brauchst ihm nicht zu gehorchen.«
»Braver Laddie! Braver Laddie!« bellte Laddie und lief den Männern entgegen. Unterwegs verlor er nur ein- oder zweimal das Gleichgewicht und taumelte.
»Wir haben dich überall gesucht!« entfuhr es einem Mann. Er hob einen Stock.
»Schlag ihn nicht!« stieß der andere Dresseur hervor. »Damit ruinierst du alles.« Er sah in die Gasse und begegnete Gaspodes Blick.
»Den Köter kenne ich. Treibt sich überall herum. Es läuft mir kalt über den Rücken, wenn ich ihn sehe.«
»Verscheuch ihn.«
Der Dresseur bückte sich und griff nach einem Stein. Als er wieder aufsah, war die Gasse leer. Ob betrunken oder nüchtern – Gaspode verfügte über ausgezeichnete Reflexe, wenn es die Umstände erforderten.
»Genau das meine ich.« Der Mann starrte in die Finsternis. »Als ob er Gedanken lesen kann oder so.«
»Es ist nur ein Köter«, sagte der andere Dresseur. »Eine verlauste Promenadenmischung, weiter nichts. Komm jetzt. Laß uns Laddie an die Leine nehmen und zurückkehren, bevor Herr Schnapper was merkt.«
Die beiden Männer führten Laddie zu den Studios des Flughund-Jahrhunderts und legten ihn in seinem Zwinger an die Kette. Wahrscheinlich fand er keinen großen Gefallen daran, doch in dieser Hinsicht konnte man nicht ganz sicher sein: Der Platz in Laddies Verstand – wenn dieser Ausdruck überhaupt angemessen war – wurde zum größten Teil von Verpflichtungen beansprucht, und im Rest regten sich nur vage emotionale Schatten.
Er zog versuchsweise an der Kette und legte sich dann auf den Boden, um die weiteren Entwicklungen abzuwarten.
Einige Minuten später erklang eine heisere Stimme am Zaun. »Vielleicht sollte ich dir einen Knochen mit einer Feile drin schicken, aber ich fürchte, du frißt das Ding einfach.«
Laddie hob den Kopf.
»Braver Laddie! Braver Gaspode!«
»Pscht! Pscht! Man hätte dir wenigstens die Möglichkeit geben müssen, mit deinem Anwalt zu reden. Jemanden anzuketten… Das verstößt gegen die Menschenrechte.«
»Wuff!«
»Wie dem auch sei: Ich hab’s ihnen heimgezahlt. Bin dem einen Mann bis nach Hause gefolgt, um ihm einen Denkzettel zu verpassen. Der Inhalt meiner Blase befindet sich jetzt vor seiner Tür.«
»Wuff!«
Gaspode seufzte und watschelte fort. Manchmal fragte er sich tief in seinem Herzen, ob es nicht doch ganz nett wäre, jemandem zu gehören. Er dachte nicht an Ketten oder Leinen, sondern eher an das Band der Freundschaft. Er stellte sich vor, so sehr an jemandem zu hängen, daß er ihm die Pantoffel brachte und sich auf seinem Grab vor Kummer verzehrte.
Laddie mochte so etwas. Wenn man in diesem Zusammenhang von »mögen« sprechen konnte – es schien bei ihm in den Knochen zu stecken, vielleicht sogar noch tiefer. Gaspode überlegte, ob derartige Verhaltensweisen die wahre Hundenatur widerspiegelten. Ein leises, dumpfes Knurren entrang sich seiner Kehle. Nein, unmöglich. Bei der wahren Hundenatur ging es nicht um Pantoffeln und trauriges Jaulen auf Gräbern. Wahre Hundenatur verlangte von einem Hund, hart, unabhängig und gemein zu sein.
Ja.
Gaspode hatte gehört, daß die Angehörigen verschiedener Hunderassen gemeinsame Nachkommen zeugen konnten, und das schloß Wölfe mit ein. Woraus folgte: In jedem Hund verbarg sich ein Wolf. Man konnte Wölfe in Hunde verwandeln, aber niemand schaffte es, den Wolf aus einem Hund zu vertreiben. Dieser Gedanke spendete ihm Trost, wenn Leute nach ihm traten und ihn die Flöhe noch häufiger bissen als sonst.
Gaspode fragte sich, wie man bei der Paarung mit einem Wolf vorging – und was nachher passierte.
Nun, das spielte keine Rolle. Wichtig war nur, daß wahre Hunde nicht vor Freude umhersprangen, wenn irgend jemand lobende Worte an sie richtete.
Ja.
Gaspode knurrte einen Müllhaufen an. »Wag es bloß nicht, mir zu widersprechen«, zischte er.
Ein Teil des Haufens bewegte sich. Ein Katzengesicht erschien, mit einem verstorbenen Fisch im Mund. Als Gaspode – um der Tradition willen – halbherzig bellen wollte, ließ die Katze den Fisch fallen und sprach zu ihm.
»Hallo.«
Gaspode entspannte sich. »Oh, hallo. Ich wollte dich nicht beleidigen. Hatte keine Ahnung, daß du es bist.«
»Ich haffe Fiff«, erklärte die Katze. »Aber wenigftenf redet er nicht.«
Ein anderer Teil
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