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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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bewege ich mich im Rückwärtsgang zeitlupenhaft bis zum vorletzten Terrarium, an dem wir vorbeigekommen sind.
    Rocky, unser Clanchef und Kopf dieser lebensgefährlichen Mission, liegt feist auf dem Rücken im Sand und schnarcht.
    »Rocky!«, rufe ich. »Wach auf!«
    Er reagiert wie Kunze, der Löwe, wenn der Pfleger anrückt: dreht sich auf die Seite. Sonst passiert nichts. Ich versuche es noch zwei-, dreimal, aber Rocky schnarcht lauter, als ich rufen könnte.
    Rufus hat inzwischen das Schild neben dem Glaskasten studiert und scannt aufmerksam das Terrarium: »Wirklich bemerkenswert.«
    »Was?«, frage ich.
    »Gottesanbeterinnen – Meister der Tarnung. Oder kannst du sie sehen?«
    Nein. Kann ich nicht. Und ich beginne auch zu ahnen, warum. Aus dem nächstgelegenen Mülleimer fische ich eine leere Bierdose, ziele, schleudere sie in den Kasten und treffe Rocky am Kopf.
    Der schlägt müde ein Auge auf: »Wasnlos?«
    »Sag uns lieber, was mit dir los ist«, maule ich.
    Unser Clanchef reibt sich den Bauch. »Hab mich überfressen«, stellt er fest, rülpst und zieht sich das Bein einer Gottesanbeterin aus dem Maul. So viel zu den Meistern der Tarnung. »Na, na, na, du wirst doch nicht etwa abhauen wollen.« Gemeint ist ein Kaiserskorpion, der bis eben zusammengerollt vor ihm lag, jetzt zur Flucht ansetzt und von Rocky am Schwanz gepackt und zurückgezogen wird.
    Unser Clanchef ist zugegeben ziemlich dämlich, seine Überlebensinstinkte jedoch funktionieren in der Regel ganz gut. Wie er allerdings dazu kommt, einen Kaiserskorpion am Schwanz zu packen, ist mir schleierhaft. Noch weniger verstehe ich, weshalb der Skorpion sich das gefallen lässt.
    Die Erklärung erhalte ich, als Rocky mit der freien Klaue hinter sich greift und etwas vorzeigt, das wie eine schwarze Johannisbeere mit einer Spitze dran aussieht. »Hab ihm den Stachel gezogen«, erklärt er grinsend.
    »Und wozu?«, frage ich.
    »Dachte, den bring ich Roxane mit. Die freut sich bestimmt.«
    »Sicher«, antworte ich. Innerlich allerdings schüttele ich den Kopf. Als Einzige im Clan findet Roxane Lebendessen nämlich »voll unmoralisch«. Und Tiere, die aus Gefangenschaft stammen, will sie überhaupt nie wieder zu sich nehmen. Manchmal fehlt nicht viel, und mein großer Bruder könnte mir direkt ein bisschen leidtun. »Können wir jetzt Nick zurücktragen?«
    Sehr bruchstückhaft scheint Rocky sich an den eigentlichen Grund unseres Kommens zu erinnern. »Klar doch.« Schwerfällig erhebt er sich, rülpst erneut und streicht sich ein weiteres Mal über den Bauch. Als hätte er sich die Geste bei seiner schwangeren Frau abgeguckt. »Mann, liegen die schwer im Magen«, stellt er fest, greift sich den Kaiserskorpion am Schwanz und hebt ihn auf Augenhöhe. »Auf geht’s, mein kleiner Freund.«

Kapitel 6
    »Ich wusste, dass so was passiert!«
    Ma, die sonst nur stumm, aber für jeden sichtbar den Kopf schüttelt, wenn ihr etwas nicht passt, hat den Pizzaschachtel-Podest erklommen, sich vor dem versammelten Clan in Rage geredet und ihre Stimme in immer schwindelerregendere Höhen geschraubt. Inzwischen schrillt sie auf einer Frequenz, von der man augenblicklich Löcher in den Zähnen bekommt.
    »Jeder von uns wusste es!« Ihre ausgestreckte Kralle schwebt drohend über den Anwesenden. Außer den drei Wachen an den Ausgängen sowie Nick, der in seiner Kammer vor sich hin dämmert, ist der gesamte Clan versammelt. »Es ist nicht erst seit gestern, dass sich göttliches Unheil ankündigt!«, fährt sie fort. »Manche Tiere führen sich schon seit Tagen auf, als habe Luzifer persönlich sie heimgesucht. Die Jugend verroht, die Sitten verderben … und jetzt Nick. Das hat doch mit Traubenzucker nichts mehr zu tun! Wir alle haben Blut an den Klauen!«
    Die meisten von uns, ich eingeschlossen, blicken betreten zu Boden und warten darauf, dass das Gewitter vorüberzieht. Um nicht irgendetwas komplett Bescheuertes zu machen, hat sich Rocky auf seine Vorderklauen gesetzt und reibt seit geraumer Zeit das Ohr an der Schulter. Ma zu unterbrechen wagt nicht einmal er. Niemand darf der Senior-Chefin ins Wort fallen, außer …
    »Weib!«
    Stille.
    Pa steht abseits auf seinen Stock gestützt wie ein vertrockneter, windschiefer Affenbrotbaum. Außer seiner munter vor sich hin pfeifenden Staublunge ist kein Laut zu hören. »Das reicht jetzt«, knarzt er. »Komm da runter, bevor der göttliche Zorn uns allen noch einen Hörsturz beschert.«
    Mas Blick verschleiert sich. Sie

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