Voll Speed: Roman (German Edition)
Hinterns eingeschlafen, als Rufus endlich zur Sache kommt: »Ich habe einfach nie den Mut aufgebracht …«
»… dich mit Natalie zu paaren?«
Ich fasse es nicht. Rufus hat nicht den Mut aufgebracht, sich mit Natalie zu paaren. So, wie die drauf ist? Ich meine: Um sich mit der zu paaren, braucht es nicht mehr Mut, als es braucht, um einen Feuerkäfer zu fressen.
Gedankenverloren fährt er fort: »Dabei reicht es schon aus zu wissen, dass sie in ihrer Kammer ist, um mein Gehirn in einen Steroidkochtopf zu verwandeln …«
Ich frage das Unvermeidliche: »Warum?«
»Warum?«
»Warum hat dir der Mut gefehlt?«
»Weil … Kannst du ein Geheimnis bewahren?«
»Wie ein Wasserfall.«
»Also …«
»Also?«
»Also: Ich bin noch Jungfrau.«
Ich pfeife durch die Zähne, als hätte er einen Rückwärtssalto gedreht.
»Behalt es für dich, okay?«
»Keine Sorge.«
Wie um sich selbst zu trösten, fügt er hinzu: »Das Elend ist nur die Schattenseite des Glücks.«
Ich blicke zu Elsas Gehege hinüber. »Trapattoni?«
»Laotse.«
Kapitel 11
»Kann ich ’ne Cola?«
Nick sieht aus wie eine behaarte Rosine und blinzelt aus verschwiemelten Stecknadelaugen. Es sind seine ersten Worte nach zwei Tagen auf der Schwelle des Todes. Rufus und ich stehen vor seinem verkrusteten Spiderman-Shirt, haben alle anderen aus der Kammer geschickt und blicken uns an.
»Aber klar doch«, erwidere ich, »mit Eis und Zitrone?«
Nick fängt tatsächlich an zu überlegen: »Eis wär’ cool.«
»Eis am Arsch«, sage ich.
»Du bist vollständig dehydriert«, erklärt Rufus.
»Und?«, fragt Nick.
»Das bedeutet, du kannst Wasser haben.«
»Sonst nix?«
»Sonst nix.«
Nick schluckt zweimal trocken und kneift dabei die Augen zusammen. »Okay«, sagt er.
Als wären wir auf sein Einverständnis angewiesen.
»Du weißt, wo du bist?«, fragt Rufus.
»Auf meinem Bett – stinkt aber ganz schön.«
»Irgendeine Ahnung, wie du dahingekommen bist?«, hake ich nach.
»Ich hab mich reingelegt?«
»Falsch, wir haben dich reingelegt. Irgendeine Ahnung, warum?«
»Ähhh …«
»Weil du zusammengeklappt bist.«
»Echt?«
»Echt. Irgendeine Ahnung, warum das passiert ist?«
»Ähhh …«
Befragungen, wie ich sie liebe. In Momenten wie diesen würde ich meinen Job am liebsten an den Nagel hängen. Doch meine Berufung ist stärker als ich. Ich bin Schnüffler, ob ich will oder nicht. Gutes Gefühl irgendwie. Auch wenn es Opfer verlangt.
»Überhaupt irgendeine Erinnerung daran, was in den letzten beiden Tagen passiert ist?«, will ich wissen.
»Kommt drauf an. Was ist denn passiert?«
»Du wärst um ein Haar gestorben!«, schaltet sich Rufus ein.
»Wow!« Nick versucht, seinen Oberkörper aufzurichten. »Cool.«
Ich ertappe mich dabei, wie ich meine Schläfen massiere. Der eine Tag endet mit Kopfschmerzen, der nächste beginnt mit Kopfschmerzen. Sieht so meine Zukunft als Ermittler aus?, überlege ich. Von einem Kopfschmerz zum nächsten? Ich denke an Phil.
Vermutlich, ja.
»Hör zu, Nick«, sage ich eindringlich. »Was ist das Letzte, woran du dich erinnerst?«
Nick braucht so lange für seine Antwort, dass sich bei mir Zweifel einstellen, ob er sich überhaupt an etwas erinnert. Rufus checkt wiederholt seine Rosa-Herzchen-Uhr.
Ein leises Schnarchen stellt sich ein. Nick. Schläft mit offenen Augen. Rufus testet seine Reflexe. Sind vorhanden. Aber das ist auch alles.
Ich beuge mich zu ihm hinunter: »Nick!«, brülle ich.
Sein Kopf zuckt zurück und dengelt gegen die Wand: »Aua!«
»Das Letzte, woran du dich erinnern kannst!?«
»Ist ja gut. Ich bin doch nicht taub.«
»Also?«
»Nemo. Ich war bei Nemo. Wir haben Musik gehört – die neue Jay-Z. Ist aber nicht so gut wie die alten Sachen. Nicht derselbe Spirit …«
Bevor Nick Gelegenheit hat, uns den kümmerlichen Rest seines Oberstübchens vor die Füße zu kippen und uns die »wahre« Geschichte von East- und West-Coast-Hip-Hop darzulegen, haben Rufus und ich ihm bereits den Rücken zugewandt und verlassen seine Kammer.
»Weisheit und Mitgefühl …«, grummelt mein Bruder vor sich hin, während wir zu Nemo kriechen, dessen Behausung auf der Minus-2-Ebene liegt. »Der große Sogyal Rinpoche. Weisheit und Mitgefühl. Ist nicht immer einfach …«
Würde er nicht sagen, der arme Rufus, wenn er wüsste, was ihn gleich bei Nemo erwartet. Da ist es dann nämlich aus mit dem Mitgefühl für seine Geschwister aus dem vierten Wurf.
Es geht damit los, dass
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