Voll Speed: Roman (German Edition)
stirbt.
Während Phil den Blinker setzt und seinen Volvo in eine Parklücke lenkt, presse ich frustriert meinen Zylinder zusammen, ziehe mir die Krawatte vom Hals und werfe beides auf die Rückbank.
Phil registriert meine gedrückte Stimmung.
»Tut mir leid«, sagt er. »Aber ich glaube, dass es sowieso verboten ist, Tiere auf den Friedhof mitzunehmen. Und besonders solche, die gern graben.«
Ich winke ab. »Schon gut, Phil. Nicht deine Schuld. War nichts weiter als ein dummes Missverständnis.«
Was habe ich mir auch dabei gedacht, hier mit Zylinder und Krawatte aufzukreuzen? Nur, weil ich ein Chinchillaweibchen liebe, als Detektiv arbeite und einen Menschen als Kompagnon habe, bedeutet das noch lange nicht, dass man sich wie der amerikanische Präsident aufführen darf.
Schweigen.
»Es gibt bestimmt noch eine Menge festlicher Anlässe in deinem Clan, bei denen du deinen Hut tragen kannst«, versucht Phil mich aufzumuntern. »Einen Zylinder kauft man ja schließlich nicht nur für einen einzigen Termin, sondern …« Er macht eine Kunstpause, »… fürs Leben.«
»Aha. Und du glaubst, ein Erdmännchen mit Klappzylinder fällt im Zoo weniger auf als bei einer Beerdigung?«, frage ich.
Phil überlegt eine Sekunde, dann schüttelt er den Kopf. »Schon gut. Vergiss, einfach, was ich gerade gesagt habe!«
Er stellt den Motor ab, zieht seinen Flachmann aus der Tasche und nimmt einen großen Schluck. Der schwere Geruch eines Single-Malt-Whiskeys hängt in der Luft. Phil atmet durch, setzt das Fläschchen erneut an und nimmt noch einen Zug. Keine Ahnung, ob er heute wenigstens schon einen Kaffee hatte.
»Alles okay mit dir?«, will ich wissen.
Er schraubt das Fläschchen wieder zu und steckt es weg. »Alles okay«, sagt er. »Beerdigungen von Leuten, die ich mal gut kannte, sind nur nicht so mein Ding.«
Dann hält er mir seine Umhängetasche hin, und ich steige hinein.
Das Seitentor krächzt wie ein Rabe mit Liebeskummer, als wir den Friedhof betreten. Wir müssen auf die andere Seite des Geländes, wo sich die Kapelle befindet.
Während Phil zügig über den Friedhof marschiert, habe ich Gelegenheit, mich umzusehen. Hat auch seine guten Seiten, wenn man gezwungen ist, sich in einer Umhängetasche transportieren zu lassen.
Der Ort gefällt mir, und das, obwohl der wolkenverhangene Himmel ihm eine ziemlich düstere Atmosphäre verleiht. Wenn die Sonne scheint, ist das hier bestimmt ein schönes Fleckchen Erde. Wenn man beim Graben nicht ständig über Leichen stolpern würde, wäre das auch ein guter Platz für einen Erdmännchenclan.
»Ihr Menschen strengt euch ganz schön an, um es euch schön zu machen, wenn ihr tot seid«, stelle ich fest.
Phils Reaktion ist ein unverständliches Grunzen. Der Marsch über den Friedhof bringt ihn aus der Puste. Nicht allzu gut in Form, mein Partner.
Tatsächlich sind wir die einzigen Trauergäste. Ein großer, hagerer Kerl mit Schifferbart und Zylinder, der so aussieht, wie ich mir diesen Abraham Lincoln vorstelle, sitzt auf einem Stuhl in der hintersten Ecke der Kapelle. Als er Phil sieht, wirkt Lincoln erstaunt. Offenbar hat er nicht mit Trauergästen gerechnet. Vor dem Altar steht eine Art Blumenvase, eingerahmt von Kerzen. Phil setzt sich und positioniert seine Tasche so, dass ich den Raum überblicken kann.
Eine Weile passiert nichts. Dann schaut Abraham Lincoln verstohlen auf seine Uhr, tritt ans Rednerpult und räuspert sich. »Wir sind heute hier zusammengekommen, um …« Er schielt auf einen Zettel, »… Boris Kaufmann das letzte Geleit zu geben. Leider hatte der Verstorbene keine Angehörigen. Deshalb wird die folgende Zeremonie, wie in solchen Fällen üblich, in aller Stille stattfinden.« Der Bestatter blickt zu Phil. »Aber vielleicht möchten Sie ja etwas sagen.«
Durch mein Guckloch sehe ich, wie Phil erschrickt und dann den Kopf schüttelt. Man könnte denken, mein Partner hätte Angst davor, ein paar freundliche Worte über Boris Kaufmann zu verlieren.
Der Bestatter nickt verständnisvoll. »Dann wollen wir den Verstorbenen nun gemeinsam zu seiner letzten Ruhestätte begleiten.«
Er hebt die vor dem Altar stehende Vase vorsichtig mit beiden Händen hoch und trägt sie dann ruhigen Schrittes zum Ausgang der Kapelle. Phil schultert seine Tasche, und wir folgen dem Kerl mit einigem Abstand.
»Warum hast du denn keine Rede gehalten?«, flüstere ich.
»Trauerreden sind auch nicht so mein Ding«, gibt Phil flüsternd zurück.
Als wir ins
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