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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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schlittere. Die Ratte muss einen Affenzahn draufhaben. Dann erst realisiere ich, dass der Albtraum noch nicht zu Ende ist. Mein linker Hinterlauf hat sich in ihrem Brustgeschirr verfangen. Sie schleift mich hinter sich her, als wäre ich ein räudiger Pferdedieb.
    In einem sanften Bogen nimmt sie Kurs auf den See. Bevor ich ahne, was sie vorhat, wird mein Kopf unter Wasser gedrückt. Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass sie mich am Ufer entlangschleppt.
    Ich gerate in Panik. Meine Krallen versuchen, Halt im schlammigen Untergrund zu finden. Keine Chance. Ebenso wenig kann ich mich vom Boden abdrücken, um den Kopf wenigstens kurzzeitig über Wasser zu bekommen und Luft zu holen. Das war’s dann wohl. Aus und vorbei. Das kommt davon, wenn man die Pfoten nicht stillhalten kann.
    Während mir die Sinne schwinden, spüre ich plötzlich einen Widerstand. Ein Seerosenfeld? Nein. Zu hart. Eine der Bojen, mit denen Wasserproben gesammelt werden? Nein. Zu weich.
    Ich rudere mit den Vorderbeinen und bekomme eine Art Schlauch zu fassen, an dem ich mich festklammern kann. Für einen Moment gelangt mein Kopf über Wasser, und ich schöpfe Atem. Zugleich spüre ich ein dermaßen heftiges Zerren an meinem Bein, dass ich befürchte, die Ratte wird es mir gleich abreißen. Tapfer klammere ich mich fest und hoffe, dass ihr Geschirr eher nachgibt als mein Hüftgelenk. Das Ziehen und Zerren steigert sich. Adieu, mein liebes Bein! Mach es gut, da wo du jetzt ohne mich hingehst!
    Plötzlich ein Ruck, dann ist der Spuk vorbei. Ich tauche aus dem Wasser, hole tief Luft und sehe, wie die Ratte im Schilf verschwindet. Panisch ziehe ich mein Bein aus dem Wasser, oder was auch immer noch davon übrig ist.
    Wenigstens werde ich keine Prothese brauchen. Das Bein ist noch dran. Allerdings hat mir die Ratte eine Kralle gezogen. Sieht so schlimm aus, dass ich für einen Moment befürchte, in Ohnmacht zu fallen. Im letzten Moment reiße ich mich zusammen. Vielleicht wächst die Kralle ja wieder nach. Rufus weiß das bestimmt.
    »Hallo, Süßer!«
    Der Schlauch, der mir das Leben gerettet hat, ist der Hals von Alphons. Ich klammere mich also gerade an jenen Schwan, der sich im letzten Sommer in einen auf der Liegewiese vergessenen Plastikbagger verliebt hat.
    Sanft streicht er mir mit dem Schnabel übers Gesicht. »Ich habe dich auch gesehen, Liebster«, flüstert er. »Jeden Morgen kommst du hier vorbei und zupfst mir mit deinen Blicken die Schwanzfedern aus. Sei ehrlich, wir haben beide gewusst, dass das hier eines Tages passieren würde.«
    »Ähm …«, ich lasse mich den Schwanenhals hinunterrutschen und schaue mich um. Hat etwa jemand mitbekommen, dass ich gerade einen bisexuellen Schwan umarmt habe, der obendrein auf Plastikspielzeug steht? Offenbar nicht. Gut.
    »Lass uns nichts überstürzen, Alphons«, sage ich und bewege mich dabei langsam an Land.
    Sein starker Schwanenhals beugt sich vor, sein Kopf folgt mir. »Wehr dich nicht dagegen, mein kleiner Erdmann. Das hier ist stärker als wir beide.«
    »Alphons, ich will dich wirklich nicht beleidigen. Du hast mir gerade das Leben gerettet, und dafür danke ich dir. Aber alles andere hast du leider völlig falsch verstanden.«
    Er sieht mich an, dann zieht er abrupt den Kopf zurück und biegt seinen Hals beleidigt nach hinten. »Weißt du was? Ihr Darkroomtypen habt alle ein totales Näheproblem«, sagt er und rauscht davon, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Ich lasse mich auf den Rasen fallen und schließe die Augen.
    Nach einer Weile höre ich Schritte. Meine Brüder kommen über die Wiese gehumpelt. Mühsam bringe ich mich in eine aufrechte Position und hebe müde eine Pfote, um mich bemerkbar zu machen.
    Rocky grüßt zurück. Hätte nicht gedacht, dass er überhaupt noch was sieht, so zugeschwollen, wie seine Augen sind. »Hast du was von dem Zeug ergattert, das sie in ihrem Rucksack hatte?«, ruft er.
    Typisch Rocky. Interessiert sich nicht mal dafür, ob ich überhaupt noch am Leben bin.
    »Keine Chance«, erwidere ich kopfschüttelnd.
    »Verdammt!«, sagt Rocky. »Sie hat sich vor dem Kampf was davon eingeworfen. Keine Ahnung, was es war. Aber ich will es auch.«

Kapitel 15
    »Aufwachen, Ray! Ich brauche deine Hilfe!«
    Der Satz sickert in meine Träume. Und ich bin mir absolut sicher, dass er zu einem Traum gehören muss, denn in der realen Welt brauche ich einfach mal eine Pause. Es ist bestimmt noch keine Stunde her, dass ich, nach einem Kampf auf Leben

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