Voll Speed: Roman (German Edition)
zu verabreichen, brüllt Rocky so laut, wie Kunze es wahrscheinlich selbst in seinen besten Jugendjahren nicht hinbekommen hat. Dann springt mein Bruder mit nur einem Satz quer durch das Gewölbe und bringt Schmidtbauer, der gerade die Spritze ansetzt, zu Fall. Der skrupellose Professor landet auf dem Rücken, die Spritze fällt zu Boden.
Während Rockys Krallen in Windeseile Schmidtbauers Brust und Gesicht zerkratzen, versucht der, die Spritze zu erreichen.
»Rocky! Vorsicht!«, rufe ich, aber mein Bruder hört mich nicht.
Wie von Sinnen haut er Schmidtbauer die Krallen in den Leib, während der nun mit letzter Kraft die Spritze erreicht und sie mit Wucht Rocky direkt in den Hals jagt. Ich sehe wie sich die Kammer leert, das tödliche Gift schießt meinem Bruder in die Blutbahn.
»Neeeeeeeeeeeeeeein! Roooooooooooockyyyyyyyyyyyyyyyy!«
Fassungslos sehe ich, wie der Erstgeborene erstaunt innehält, um gleich danach die Augen zu schließen und leblos zur Seite zu fallen.
»Rocky! Nein!« Ich klammere mich erschöpft an den Rand des Hafenbeckens. Tränen schießen mir in die Augen.
Schmidtbauer will sich erheben, doch er wirkt benommen. Ein müdes Stöhnen, dann fällt sein Oberkörper zurück.
Da ertönt das Knarren der Metalltür, und Phil erscheint auf der Treppe, eine Waffe im Anschlag. Sein Blick fällt auf Ernie, dann auf Schmidtbauer, schließlich auf Rocky. »Was ist denn hier passiert?«, fragt Phil, sichtlich erschrocken.
»Das würde ich auch gern wissen«, erwidert Rocky. Er hebt den Kopf, rappelt sich hoch und klopft sich den Staub aus dem Fell.
»Du lebst?« Ich kann es nicht fassen.
»Hä?«, antwortet Rocky. »Was fragst du das mich? Hast du nicht eben ’ne Kugel abgekriegt?«
»Du hast ’ne Kugel abgekriegt?«, fragt Phil geschockt.
»Geht schon«, antworte ich und kraxele mit letzter Kraft aus dem Hafenbecken. »Ist nur ’n Streifschuss.«
Ich drehe mich auf den Rücken und versuche, flach zu atmen.
Phil beugt sich über mich. »Lass mal sehen, Partner.«
Ich nehme meine Pfote von der Wunde. In Phils Gesicht kann ich lesen, dass die Lage ernst, aber nicht hoffnungslos ist.
»Das wird wieder. Soll ich dich zu einem Tierarzt fahren?«
Rocky taucht neben Phil auf. Mein Bruder ist tatsächlich wieder ganz der Alte. Nichts erinnert mehr an das merkwürdige Wesen, in das er sich nach der Überdosis Magenta verwandelt hat.
»Am besten, wir bringen ihn in den Zoo«, sagt Rocky. »Unser Doc ist Weltklasse.«
Ich nicke. »Danke für das Angebot, Phil. Aber Rocky hat recht. Außerdem sollte jemand hierbleiben, um der Polizei alles zu erklären.«
Phil nickt, und mein großer Bruder schultert mich vorsichtig.
Während wir den Rückweg antreten, kümmert sich Phil um Ernie. Dabei betrachtet er den immer noch benommenen Schmidtbauer.
»Was habt ihr nur mit dem angestellt? Die Polizei wird ihn kaum wiedererkennen.«
»Lange Geschichte«, erwidere ich.
Von Ferne hört man nun leise Polizeisirenen.
»Ich freu mich schon drauf«, sagt Phil.
»Schmidtbauer hat übrigens eben noch seine Helfershelfer angerufen. Dürften jeden Moment hier sein. Die könnt ihr gleich mitkassieren.«
Phil nickt. »Danke, Partner. Und jetzt ruh’ dich aus.«
Kapitel 23
Ich liege auf unserem Hügel. Eine kräftige Herbstsonne wärmt mir das Fell. Seit ein paar Tagen scheint es, als würde die Sonne sich weigern, dem Winter das Feld zu überlassen. Tapfer scheint sie gegen das Unvermeidliche an. Dabei hat man in den letzten Nächten den Frost schon schmecken können. Ich tue also gerade das einzig Vernünftige: Ich hole mir eine letzte Dosis Licht und Wärme, um für die dunkle Jahreszeit gewappnet zu sein.
»Wo bleibst du denn?«, fragt Rufus.
Ich öffne ein Auge und erblicke meinen geschäftigen Bruder.
»Heute ist Seenotrettungsübung«, erklärt er. »Du bist in Team 3. Und Team 3 ist gleich dran. Also. Los! Auf! Auf!«
Mein Auge fixiert ihn. »Bist du der Hafenmeister, oder was?«
Rufus wirft sich in die Brust. »Allerdings bin ich der Hafenmeister. Es gab eine Abstimmung, bei der das beschlossen wurde. Aber du hast ja auf diesem Hügel rumgelungert und dir die Sonne auf den Wanst scheinen lassen.«
Ich schließe mein Auge wieder. »Ich glaube ja, dass du dir nicht jeden Tag irgendeinen Quatsch einfallen lassen würdest, wenn du regelmäßig Sex hättest.«
Obwohl ich nicht hinsehe, kann ich mir lebhaft vorstellen, wie Rufus empört das Gesicht verzieht. »Das eine hat mit dem anderen überhaupt
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