Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
Rahmen der konditionierten Hilfsprogramme der EU und des IWF verlangt und auch Schritt für Schritt umgesetzt wird. Jedenfalls wirken diese harten Programme nicht gerade wie bequeme Auswege und damit Einladungen für künftiges Fehlverhalten („moral hazard“). Ganz im Gegenteil werden sie weithin als nationale Demütigungen angesehen, die man derzeit hinnehmen muss, aber in der Zukunft möglichst vermeiden sollte.
Viel gewichtiger als die Suche nach einem „moral hazard“ ist dagegen die Frage nach den realistischen Alternativen. Was kann die Politik im Kern anderes tun als das, was sie tut, wenn sie den „acquis communautaire“ mit Freihandel, freiem Kapitalverkehr und Freizügigkeit von Arbeitskräften zukunftsfähig machen will? In der Tat sind Fiskal- und Bankenunion sowie Rettungsfonds ja nichts anderes als die Antwort auf eine allgemeine Fehleinschätzung der Kräfte zur wirtschaftlichen Selbststabilisierung Europas. Es hat sich eben gezeigt, dass die Eurozone eine schwere Finanzkrise einfach nicht überstehen kann, ohne dass es einen „lender of last resort“ gibt, der das System stabilisiert – und das können nur die Regierungen gemeinsam und die Europäische Zentralbank sein. Deren „Geschäftsrisiken“ müssen natürlich von den „Großen und Reichen“ der Europäischen Union garantiert werden, sonst kann eine Stabilisierung nicht zustande kommen. Wer sonst als Deutschland (und seine stabilen Nachbarn) kann dafür die Verantwortung und einen Großteil der Kosten übernehmen?
Die Entscheidungslage ähnelt jener Konstellation, in der sich die Vereinigten Staaten auf dem Höhepunkt ihrer globalen Macht in den späten 1940er-Jahren befanden. Damals hatten die Amerikaner die Wahl, entweder Europa sich selbst zu überlassen oder einen Teil der Kosten des Wiederaufbaus in Europa zu übernehmen und damit den dortigen Reformprozess in die gewünschte (und nötige!) Richtung zu lenken. Es war letztlich die Wahl zwischen Intervention und Isolation. Sie wählten damals mit dem Marshall-Plan die Intervention, nachdem sie in den 1920er-Jahren die Isolation gewählt hatten, und zwar aus einer Mischung aus Konservatismus und Selbstunterschätzung. Ähnlich, wenn auch noch gefährlicher, ist die Lage für Deutschland heute. Denn immerhin ist Deutschland selbst hoch integrierter Teil des Europäischen Wirtschaftsraums und insofern von etwaigen Instabilitäten oder dem Verfall des Umfelds noch weit mehr betroffen, als dies seinerzeit für die Vereinigten Staaten der Fall war. Es ist deshalb im wohlverstandenen Eigeninteresse Deutschlands, seine Verantwortung zur Stabilisierung Europas zu übernehmen.
Viele Skeptiker überzeugt diese pragmatische Sichtweise nicht. Sie pochen auf umfassende „Selbstverantwortung“ für nationales Fehlverhalten. Prima facie klingt dies überzeugend. In letzter Konsequenz plädieren sie damit aber für eine deutsche Politik, die durch Aussetzen der Hilfe billigend in Kauf nimmt, dass die Staaten in Bedrängnis den „acquis communautaire“ aufkündigen und zu massiven Beschränkungen des Kapitalverkehrs greifen. Denn wie anders als durch ein mindestens vorübergehendes Aussetzen dieser Freiheit könnten die betroffenen Länder Attacken der globalen Kapitalmärkte auf ihre Kreditwürdigkeit durchstehen? Auch noch weiter gehende Szenarien sind denkbar: Länder wie Griechenland und Portugal könnten gezwungen sein, aus der Eurozone auszuscheiden und mitten in einer turbulenten Finanzkrise die Einführung einer eigenen Währung anzukündigen, was ja tatsächlich in der deutschen Öffentlichkeit als Option ernsthaft diskutiert wird. Ohne massive Kontrollen des Kapitalverkehrs, aber auch Einschränkungen der Freizügigkeit und des Freihandels wäre dies kaum denkbar, denn die Menschen würden sich nicht freiwillig von ihren Beständen an Euros (der guten Währung!) trennen, um diese in „Neue Drachmen“ oder „Neue Escudos“ (den schlechten Währungen!) umzuwandeln. Darüber hinaus würden drastische Währungsabwertungen den Realwert der Staatsschulden massiv erhöhen und weitergehende nationale Insolvenzen nach sich ziehen. Deren Signalwirkung für die Finanzmärkte in Europa wäre höchst unsicher. Nimmt man die Erfahrungen der Finanzkrise in Südostasien 1997 zum Maßstab, wäre tatsächlich ein „Dominoeffekt“ nicht auszuschließen, bei dem dann auch gefährdete große Länder (Spanien? Italien? Frankreich?) betroffen sein könnten. Die Konsequenz wäre dann der Kollaps
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