Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
EU-Länder etwa zwei Drittel des gesamten deutschen Außenhandels aus, und zwar sowohl auf der Export- als auch auf der Importseite. Selbst wenn, was zu erwarten ist, die größte Wachstumsdynamik des deutschen Außenhandels künftig in anderen Regionen der Welt liegen wird, bleibt für die nächsten Jahrzehnte der wirtschaftliche Schwerpunkt in Europa von überragender quantitativer Bedeutung.
Noch wichtiger ist diese Integration allerdings aus qualitativer Sicht. Sie liefert nämlich erst das realwirtschaftliche Fundament für den Gemeinsamen Markt, der seit 1992 als rechtlicher Rahmen besteht und Freihandel, freien Kapitalverkehr und Freizügigkeit von Arbeitskräften garantiert, aber erst in den letzten Jahren zur gelebten Wirklichkeit wird. Völlig unabhängig davon, wie stark Deutschland in der Zukunft mit den großen Schwellenländern der Welt durch Handel und Direktinvestitionen verflochten sein wird, bleibt der Gemeinsame Markt Europas eine eigene qualitative Dimension, und zwar als Vereinigung räumlich benachbarter Volkswirtschaften, deren natürliche Integration der Erste Weltkrieg für lange Zeit unterbrochen hatte. Im Westen Europas begann die Reintegration erst in den frühen 1950er-Jahren, im Osten sogar erst Mitte der 1990er-Jahre. Was sich jetzt schrittweise als wirtschaftliches Zusammenwachsen Europas durch Güterhandel und Direktinvestitionen vollzieht, ist insofern eine Art historische Rückkehr zu einem Trend der Integration, der früher unter ganz anderen politischen Verhältnissen schon einmal angelegt war, aber dann – jäh und für lange Zeit – gestört wurde. Dies gibt dem Prozess seine politische Tragweite, völlig unabhängig davon, ob Deutschland in der neuen globalen Arbeitsteilung noch weitere „Standbeine“ in großen Schwellenländern wie China, Indien, Indonesien oder Brasilien entwickelt.
In diesem Sinne hat die Integration Europas tatsächlich weit mehr strukturelle Ähnlichkeit mit dem Zusammenwachsen Deutschlands nach der Deutschen Einheit als mit der Globalisierung im Weltmaßstab. In Europa wie in Deutschland geht es darum, in einem Gemeinsamen Markt ein neues nachhaltiges Gleichgewicht der Arbeitsteilung zu erreichen, und zwar in einem Zustand der umfassenden wirtschaftlichen Freiheiten bei sehr niedrigen Kosten der Mobilität von Arbeit und Kapital; und dies alles in einem geografisch engen Raum mit langer gemeinsamer (und konfliktreicher) Geschichte. In der Welt geht es dagegen um „klassische“ Handelsbeziehungen zwischen Regionen und Nationen, die geografisch weit voneinander entfernt liegen, untereinander nur sehr begrenzte internationale Freizügigkeit zulassen und sich zumeist in Kultur, Sprache und staatlichen Institutionen auch weiterhin stark voneinander unterscheiden.
Die Rolle Deutschlands ist in den zwei Sphären – der „europäischen“ und der „globalen“ – eine jeweils völlig andere, und zwar nicht nur quantitativ. In der europäischen Sphäre ist Deutschland mit seiner starken, überall präsenten Wirtschaft ein wesentlicher Akteur des Aufbaus und der Entwicklung, und zwar zusammen mit Österreich insbesondere in den Aufholländern Mittel- und Osteuropas. In der globalen Sphäre ist Deutschland dagegen nichts anderes als einer von vielen Wettbewerbern, die sich um günstige Ausgangspunkte für Handel und Direktinvestitionen bemühen, um die Welt optimal mit Waren und Dienstleistungen beliefern zu können. Es ist schwer vorstellbar, dass sich an dieser qualitativen Grundkonstellation in den kommenden Jahrzehnten Wesentliches ändern wird. Aus diesen unterschiedlichen Rollen ergeben sich unterschiedliche Arten und Grade der politischen Verantwortung Deutschlands und der Handelspartner. Auf globaler Ebene beschränkt sich diese auf das Einhalten der üblichen Regeln des internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehrs, gegebenenfalls gekoppelt mit einer gewissen globalen Abstimmung der makroökonomischen Politik im Rahmen von Gipfeltreffen, bei denen regelmäßig und vor allem in Krisenzeiten kommuniziert, koordiniert und kooperiert wird. Auf europäischer Ebene gibt es dagegen durch den erreichten Grad der Integration eine derart starke gegenseitige Abhängigkeit, dass von wirklich autonomer nationaler Politik nicht mehr die Rede sein kann.
Dies gilt ganz offensichtlich für die Eurozone, wo jene Länder, die vom Tugendpfad der Stabilität abwichen, sehr harte Anpassungsprogramme durchlaufen mussten beziehungsweise noch durchlaufen. Es
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