Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
zweckmäßige Weg in die Zukunft. Dies ist auch nachvollziehbar, denn sie sind – jeder für sich – mit dem Rest Europas hochintegriert, auch wenn insgesamt der Handel zwischen EU-Nationen noch nicht die gleiche Intensität erreicht hat wie der Handel zwischen den US-Staaten. Der regelmäßige Rückgriff auf Währungsabwertungen wird jedenfalls als realistischer politischer Weg nicht mehr wirklich ernst genommen.
Es bleiben Risiken, wie die jüngste Schuldenkrise gezeigt hat. Aber es sind eben immer Krisen, die erst klarmachen, wo die strukturellen Schwächen eines Projektes liegen. So wird die derzeitige Krise Konsequenzen haben, die helfen sollen, die Währungsunion zukunftsfähiger zu machen – vom Rettungsfonds über die Fiskalunion bis zu einer Welle von Reformen in den Ländern der südlichen Peripherie, die sonst nie zustande gekommen wären. Europa erweist sich anscheinend als lernfähig. Noch mehr muss folgen, vor allem eine gemeinsame Wachstumspolitik. Ob dies ausreicht, wird die Zukunft zeigen. Ein „exklusiver Klub“ hat eben seinen Preis.
Kurzum: Die Währungsabwertung ist dabei, überall zu verschwinden, zumindest als „natürliche“ politische Option. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der Preis des Verlusts an stabilitätsorientierter Glaubwürdigkeit im Fall eines Wertverfalls der Währung ist derart hoch, dass dies offenbar die nationale Politik fast nirgends riskieren will. Stattdessen nimmt sie überall harte Maßnahmen der Konsolidierung in Kauf, auch außerhalb der Eurozone. Blickt man auf die Bilanz der internen Geldentwertung in den Ländern, ist diese Haltung absolut nachvollziehbar. Denn auch ohne Abwertung gegenüber dem Euro gibt es in den Ländern noch eine Preisinflation, die deutlich über den EU-Durchschnitt hinausgeht. 160 Eine „Freigabe“ des Wechselkurses würde also wahrscheinlich sehr schnell in einer beschleunigten Geldentwertung enden, mit langfristig verheerenden Folgen.
Die Aufholländer der EU verfolgen also mit der Mitgliedschaft in der Eurozone oder mit einer weitgehenden Bindung ihrer Währung an den Euro eine völlig rationale Strategie des Imports von Stabilität, ohne den sie offenbar um ihren Ruf als attraktiver Wirtschafts- und Investitionsstandort fürchten. Sie übernehmen dadurch im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein hohes Maß an politischer Verantwortung dafür, dass die Integration Europas erfolgreich weitergeht. Sie erfüllen geradezu vorbildlich die Bedingungen des „acquis communautaire“ mit Freihandel, freiem Kapitalverkehr und Freizügigkeit, auch wenn es ihnen harte Anpassungslasten aufbürdet. Es liegt nun in der politischen Logik der Europäischen Union, dass dieser Verantwortung der „Kleinen und Armen“ eine Verantwortung der „Großen und Reichen“ (und namentlich Deutschlands) gegenübersteht. Wie sieht diese Verantwortung konkret aus?
Bis zur Euroschuldenkrise war die Vorstellung verbreitet, dass sich diese Verantwortung auf zwei wesentliche Eckpunkte beschränken würde: auf die Bereitstellung eines stabilen ordnungspolitischen Rahmens mit unabhängiger Zentralbank, hohem Vertrauen in die Kapitalmärkte (und damit relativ niedrigen Zinsen) sowie einer ergänzenden Regional- und Kohäsionspolitik der tradierten Art. Dies erwies sich als ein großer Irrtum, wie wir spätestens seit den Rettungsaktionen für Griechenland, Irland und Portugal wissen. Unter dem Druck der internationalen Finanzmärkte kam es zu Stützungskäufen von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank und damit zu einem „Bail-out“, der eigentlich durch den Stabilitätspakt ausgeschlossen sein sollte. Das Endergebnis der Entwicklung ist nach heutigem Stand die dauerhafte Einrichtung einer Fiskal- und Bankenunion mit Koordinierung und Kontrolle der Finanz- und Bankenpolitik sowie einem großzügig ausgestatteten Rettungsfonds.
Diese Veränderung des Stabilitätspakts wird in Deutschland heftig kritisiert. Sie gilt im Urteil vieler Wirtschaftswissenschaftler und einiger Politiker als Tor zu einer Kollektivhaftung der Seriösen für die Unseriösen und als erste Stufe zu einer umfassenden „Transferunion“, qualitativ vergleichbar dem Finanzföderalismus innerhalb Deutschlands. 161 Richtig daran ist, dass tatsächlich früheres Fehlverhalten im Nachhinein nicht so bestraft wird, wie es der Finanzmarkt ohne politische Intervention täte. Dies geschieht allerdings nur unter einem enormen politischen Druck in Richtung der Konsolidierung, wie sie im
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