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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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Konfrontation, von einer selbst auferlegten Zurückhaltung zur lohnpolitischen Offensive. Es kam zu einer Art „Revolution“ an den Arbeitsmärkten, die in wenigen Jahren die Grundkonstellation radikal veränderte.
    Wetterleuchten der Knappheit:
    Ist die Zeit der Befristung doch nur befristet?
    Ende Mai 2012 geisterte durch die deutschen Tageszeitungen eine eher unauffällige Meldung. Es ging um die Entwicklung befristeter Beschäftigungsverhältnisse. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte dazu ein kleines Schaubild, zusammengestellt aus Daten der Bundesagentur für Arbeit, die offenbar als Folge einer parlamentarischen Anfrage der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag in handlicher Form zusammengestellt worden waren. Also eigentlich nichts Aufregendes.
    Oder doch? Die abgebildete Grafik vermittelte eine beachtliche Botschaft: Zwischen 2007 und 2011 war der Anteil befristeter Arbeitsverträge an allen Neueinstellungen von 15- bis unter 25-Jährigen von über 60 Prozent auf 41 Prozent gesunken. Dies war ein klarer Trendbruch, denn zwischen 2000 und 2007 hatte sich der Anteil von 32 Prozent bis auf über 60 Prozent fast verdoppelt. Wohlgemerkt: Dieser Trendbruch fand in einem Zeitraum statt, der den scharfen konjunkturellen Einbruch von 2009 umschloss; und er fand statt in einer Welt der Arbeitsmarktregulierung, die nach den gesetzlichen Lockerungen früherer Jahre den Unternehmen mehr als jemals zuvor Freiräume schuf, auf befristete Arbeitsverhältnisse zurückzugreifen, wenn sie dies nur wollten. Offenbar wollten sie aber nicht, jedenfalls weit weniger als in den Jahren zuvor.
    Der Grund ist einfach und hat einen Namen: Knappheit. Offenbar sorgten die Marktverhältnisse für eine Situation, in der – erstmals seit langer Zeit – die Unternehmen bestrebt waren, junge Menschen nach einer Ausbildung nicht einfach in den Arbeitsmarkt ziehen zu lassen, wo sie irgendwo anders zu attraktiveren Bedingungen eingestellt würden. Stattdessen begannen die Unternehmen, bessere Vertragsbedingungen als „Bleibeprämie“ einzusetzen – oder als „Lockprämie“ für diejenigen, die andernorts nur mit befristeten Verträgen abgespeist wurden. Die Verhandlungsposition der jungen Menschen hatte sich verbessert – trotz konjunktureller Flaute, aber sicherlich wegen der absehbaren demografischen Entwicklung, die bereits zu einem spürbaren Mangel an leistungsfähigen Lehrlingen führte. Offenbar sind es nicht zuerst die Löhne, die sich für die jungen Menschen verbessern, sondern die Arbeitsbedingungen. Dies sollte eigentlich nicht überraschen. Denn für einen Berufseinsteiger hat es einen großen Wert, schon mal einen unbefristeten Vertrag in der Tasche zu haben; und für den Arbeitgeber ist es zunächst einmal das kleinere Übel, als höhere Löhne zu zahlen, wenn er wohl ohnehin damit rechnet, irgendwann den Vertrag entfristen zu müssen.
    Dies alles erinnert an die Entwicklung der 1960er-Jahre: Bevor die Löhne stiegen, verbesserten sich damals zunächst die Arbeitsbedingungen. Die Löhne folgten später. So wird es wohl auch diesmal sein: Erst wenn in den nächsten Jahren die Befristung wie von selbst als Massenphänomen ausläuft, werden die Löhne nachziehen. Und neben den Vertragskonditionen werden andere Arbeitsbedingungen verbessert werden – oft statistisch gar nicht erfasst, oft noch nicht einmal explizit vereinbart, sondern als zunehmende Selbstverständlichkeit gedeihlicher Arbeitsbeziehungen vorausgesetzt.
    Nicht alle werden davon gleich profitieren. Dies zeigt sich schon heute: Während der Anteil der Neueinstellungen mit Befristung bei den 15- bis unter 25-Jährigen zwischen 2007 und 2011 schon deutlich abnahm, setzte das Sinken des Anteils im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt erst zwei Jahre später ein und blieb bisher bescheiden – von 49 Prozent (2009) auf 46 Prozent (2011). Der Anteil lag somit im Durchschnitt des Jahres 2011 sogar höher als bei den Jungen! Interpretiert man die Befristung als eine Art Probezeit, so sind die Arbeitgeber heute also eher geneigt, bei jungen als bei älteren Arbeitskräften auf die Probezeit zu verzichten. Wer hätte das noch vor einigen Jahren gedacht. Was die Knappheit nicht alles möglich macht! Erst wenn sie auf den Arbeitsmarkt insgesamt voll übergreift, werden sich auch die Vertragsbedingungen der Älteren bei Neueinstellungen verbessern. Warten wir ab, was nach dem ersten Wetterleuchten kommt.
    Eine solche Entwicklung ist für die Zukunft nicht zu

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