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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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also eine vollständige Trendumkehr von jener Entwicklung, die seit Mitte der 1970er-Jahre beobachtbar war. Welche volkswirtschaftlichen Folgen wird der neue Trend haben? Vor allem: Wie wirkt dieser Lohnanstieg auf den Einsatz und die Entwicklung der anderen Produktionsfaktoren, mit denen die Arbeit im Produktionsprozess kombiniert wird, allen voran natürlich das Sachkapital? Wie teuer wird es sein, zu investieren, um die Wertschöpfung pro Arbeitsplatz zu erhöhen und damit auch die höheren Löhne nachhaltig erwirtschaften zu können? Wie schnell und gründlich kann also der Kapitalstock modernisiert werden? Haben wir in einer alternden Gesellschaft überhaupt die Innovationskraft, dies zu leisten? Und was kommt dabei im Ergebnis für einzelne Gruppen von Beschäftigten heraus? Werden wir eine weitere Spaltung der (alternden) Gesellschaft erleben – etwa dadurch, dass zunehmend knappe Junge zulasten der Älteren gewinnen? Was bedeutet dies alles für die Chancen und Risiken steuernder Technologie- und Industriepolitik, allen voran der Energiewende? Genau dies sind die Fragen, mit denen wir uns in diesem Kapitel beschäftigen werden.
2.2   Kapital wird billig!
    Der Kapitalbestand, mit dem Menschen arbeiten, ist für die Leistungskraft einer industrialisierten Wirtschaft von überragender Bedeutung. Dies wissen wir spätestens seit Adam Smith und Karl Marx. 61 Die moderne Volkswirtschaftslehre hat diese klassische Sichtweise bestätigt. Sie erkennt unverändert im Kapitalbestand – im Jargon der Ökonomen: im „Kapitalstock“ – eine zentrale Größe für das Wachstumspotenzial, das eine Ökonomie erreichen kann, auch im 21. Jahrhundert.
    Worin genau liegt die Bedeutung des Kapitalstocks, also der Ausrüstungen und Bauten einer modernen Wirtschaft? Die Antwort lautet: Das Kapital ist – neben dem Menschen selbst – der wichtigste Träger des Wissens, das eine Gesellschaft über lange Zeiträume entwickelt und ansammelt. Dieses Wissen schlägt sich in vielfältiger Weise im Kapitalbestand nieder – in dessen Modernität, Technologie und Funktionalität, die sich ständig verbessert. Damit steigen die Produktivität der Arbeit und die Qualität der hergestellten Güter. Die Wirtschaftswissenschaft mag sich noch im Einzelnen darüber streiten, wie viel des gesamten beobachteten Wachstums von Volkswirtschaften auf Akkumulation und Modernisierung des Kapitalbestandes, auf Verbesserungen des Qualifikationsniveaus („Humankapital“) oder auf andere Arten der Entwicklung und Verbreitung des Wissens zurückzuführen ist. 62 In jedem Fall bleibt die fast triviale Tatsache, dass ohne die Umsetzung des Wissens in einen neuen Kapitalstock, sei es in Ausrüstungen oder in Bauten, die Beschäftigten keine Chance haben, ihr Können und Wissen (oder auch nur ihre Körperkraft) bestmöglich in wirtschaftliche Leistung umzusetzen. Die Bedeutung des Kapitals ist deshalb eigentlich offensichtlich: Ohne Kapitalstock fehlt der Transmissionsriemen zwischen Arbeitskraft und Produktion. 63
    Wie entsteht Kapital? Die volkswirtschaftliche Antwort ist einfach: durch Verzicht auf Konsum. Ein Teil des erzielten Einkommens wird nicht verbraucht, sondern „investiert“, also letztlich umgewandelt in einen Kapitalstock, der dann über einen begrenzten Zeitraum für Arbeitskräfte in wirtschaftlichen Produktionsprozessen zur Verfügung steht und deren Produktivität erhöht. Wer also wissen will, wie groß und wie gut künftig der Kapitalstock sein wird, der muss zunächst über die weitere Entwicklung des Kapitalmarkts nachdenken: Wie werden sich das Angebot an Ersparnissen und dessen Nachfrage durch den Investitionsbedarf entwickeln? Die Frage ist dabei nicht auf Deutschland begrenzbar, denn in globalisierten Kapitalmärkten, mit denen wir heute leben, können Ersparnisse weltweit entstehen und weltweit verwendet werden.
    Um diese höchst komplexe Frage zu beantworten, müssen wir einen längeren Ausflug in die Volkswirtschaftslehre unternehmen. Es geht dabei um ein Phänomen, das seit einigen Jahren mit dem Begriff Kapitalschwemme („savings glut“) beschrieben wird, also ein Überangebot an Ersparnissen, das tendenziell den Preis des Kapitals, also den Realzins, nach unten drückt. 64 Wir werden ferner zu fragen haben, ob eine solche Konstellation – wenn sie tatsächlich besteht – von Dauer sein kann, und wenn ja, welche Bedeutung sie für Volumen und Struktur der Investitionen in Deutschland haben wird, und zwar gerade auch in

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