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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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Qualifizierten betreffen, die eben nur mit Mühe und zu relativ niedrigen Löhnen integriert wurden. Es gibt eben noch immer die Zweiteilung des Arbeitsmarktes, wenn auch die Fortschritte der letzten Jahre unverkennbar sind.
    Genau hier liegt die Lösung für das Rätsel, das uns zu dem Rundgang durch die deutsche Arbeitsgeschichte veranlasst hat: die merkwürdige Rezession 2009, mit ihrem schweren Produktionseinbruch, der kaum zu höherer Arbeitslosigkeit führte. Die Unternehmen „horteten“ die Arbeitskräfte, weil sie die demografischen Fakten kennen und wissen, dass es schwer wird, für einmal entlassene hoch qualifizierte Beschäftigte Ersatz im Markt zu finden. Die Situation ist ganz anders geworden als in den letzten Jahrzehnten: Da stehen keine bestens ausgebildeten Babyboomer mehr vor den Werkstoren, die man bei Erholung der Konjunktur nur übernehmen müsste, wenn man in der Rezession zu Massenentlassungen greift. Früher lautete die rationale Unternehmensstrategie: Nutze die Gelegenheit der Rezession, um im Konjunkturzyklus zu einem jüngeren und besser qualifizierten Personalbestand zu kommen. Niemand sprach dies aus, denn es hätte zynisch geklungen, aber viele handelten danach. Heute ist diese Strategie offenbar nicht mehr sinnvoll, denn der Personalaustausch Jung für Alt kommt – mangels Masse – überhaupt nicht mehr zustande.
    Die Erfahrungen der Rezession 2009 liefern insofern eine Art Wetterleuchten dessen, was noch kommen kann. Sie werden kein Einzelfall bleiben, sollte es in den nächsten Jahren zu weiteren konjunkturellen Produktionseinbrüchen kommen. Denn je mehr Zeit auf dem Weg in die demografische Schrumpfung vergeht, umso deutlicher wird sich das Problem der „Unersetzbarkeit“ von Fachkräften mental bei den Unternehmen durchsetzen. Die Situation ähnelt dann immer stärker der Arbeitswelt der 1960er-Jahre: Bewährte Arbeitskräfte werden bevorzugt behandelt, qualifizierte junge Arbeitskräfte werden verzweifelt gesucht und alle Möglichkeiten werden erforscht, noch irgendwie Leistungspotenziale zu erschließen – durch Einsatz neuer Technik, Rückgriff auf zugewanderte Arbeitskräfte und betriebliche Ausbildung und Umschulung derjenigen, die unter anderen Verhältnissen in der Langzeitarbeitslosigkeit landen.
    Also die Rückkehr in das Paradies der 1960er-Jahre, mit Arbeit für alle? In gewisser Weise ja, aber klar ist auch: Geschichte wiederholt sich nicht; die Zukunft wird wieder anders aussehen. Und vergessen wir nicht: Das damalige Paradies der Vollbeschäftigung war immer gefährdet und wurde, wie wir gesehen haben, schließlich zerstört. Wie es dem künftigen Paradies ergehen wird, ist Gegenstand der Kapitel 2 und 3 dieses Buches.
    Macht Teilhabe alle glücklich?
    Ketzerische Gedanken zur Vollbeschäftigung
    Es ist fast schon eine Binsenweisheit: Wer auf Dauer keine Arbeit hat, dem fällt es auch schwer, am sozialen Leben teilzunehmen. Jedenfalls ist dies das einhellige Ergebnis einer Fülle von Studien, die in der langen Zeit der chronischen Arbeitslosigkeit durchgeführt wurden. Arbeit ist eben in modernen Industriegesellschaften nicht nur Arbeit, sondern auch eine Form der „Teilhabe“, und diese wiederum ist ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige Schlüssel zum menschlichen Glück. Die Rückkehr der Vollbeschäftigung, wenn sie denn kommt, ist deshalb weit mehr als ein rein wirtschaftliches Ereignis. Es ist eine ungeheuer wichtige psychologische Wende für die Menschen. Jahrelang hieß es doch: „Uns geht die Arbeit aus“, und damit waren für viele Menschen schwere Existenzängste verbunden. Jetzt lautet die Botschaft: „Ihr werdet gebraucht.“
    Ein ganz neues und schönes Lebensgefühl. Wer sich an die 1960er-Jahre erinnert, weiß dies noch. Es war damals in Deutschland eine Welt, in der fast niemand Angst haben musste, ohne eigenes Verschulden am Rand der Gesellschaft zu landen. Denn überall war Nachfrage zu spüren. Arbeitgeber flehten die Arbeitnehmer an, doch bitte noch ein paar – gut bezahlte – Überstunden zu leisten, weil sonst die Kundenwünsche einfach nicht zu erfüllen waren; aus Eigeninteresse boten sie freiwillig übertarifliche Leistungen, verbesserten die Arbeitsbedingungen, besorgten die neueste maschinelle Ausrüstung und investierten in die Qualifikation der Mitarbeiter. Und wenn es einem als Arbeitnehmer an einem Arbeitsplatz wirklich nicht mehr gefiel, bewarb man sich auf eine der zahllosen offenen Stellen, die angeboten

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