Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
die Wirkung der Mobilisierung wohl spätestens Mitte der 2020er-Jahre auslaufen, weil sich dann Deutschland den skandinavischen Niveaus der Frauenerwerbsbeteiligung angenähert haben dürfte.
Das zweite verbleibende Potenzial der Mobilisierung sind junge Menschen, die bisher ohne Berufsabschluss auf den Arbeitsmarkt strömen. Deren Anteil an der jeweiligen Alterskohorte hat über die letzten Jahrzehnte kontinuierlich zugenommen; zuletzt betrug er 17 Prozent. 101 In diesem Trend liegt bildungspolitisch eines der Hauptprobleme der deutschen Gesellschaft. Dies gilt umso mehr, als sich in dieser Gruppe ein überproportional großer Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund findet. Hier sind es oft auch sprachliche und kulturelle Hindernisse, die einer Motivation und Mobilisierung für eine bessere Qualifikation entgegenstehen. Auch daran wird bildungs- und sozialpolitisch in Deutschland gearbeitet. Gelänge es jedenfalls, in der nächsten Generation den Anteil der jungen Menschen ohne Ausbildungsabschluss deutlich zu senken, so böte dies sicherlich zusätzliche Möglichkeiten, die Innovationskraft der Erwerbstätigen als Ganzes zu stärken. Keinesfalls darf man hier als Ergebnis einen gewaltigen Sprung erwarten, da es sich im Durchschnitt nicht um junge Menschen handelt, die bei abgeschlossener Berufsausbildung eine große Befähigung zu innovativer Tätigkeit erwerben würden. Andererseits darf man auch hier die indirekten Effekte nicht unterschätzen: Zusätzliche Qualifikation in den unteren Segmenten des Arbeitsmarkts schafft neue Möglichkeiten der innerbetrieblichen Arbeitsteilung bis in die verantwortungsvolleren Bereiche.
Unser Fazit lautet: Es gibt auch heute noch eine Fülle von Wegen, um die Innovationskraft, die in einer Wirtschaft steckt, zu vergrößern und zu wecken. Diese Wege zu erforschen wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine zentrale Aufgabe der Wissenschaft sein. Und die Wege dann auch für die Gesellschaft passierbar zu machen, wird eine zentrale Aufgabe für die Wirtschaft und die Politik. In dieser Hinsicht stehen wir wirklich erst am Anfang. All dies zeigt aber auch eines klar: Die Wege werden nur genau deshalb ökonomisch interessant und gesellschaftlich ertragreich, weil die Innovationskraft auf Dauer der zentrale Engpass der weiteren Entwicklung sein wird. Denn nur mit ihr lässt sich das reichlich vorhandene Angebot an Kapital nutzen, um die Wertschöpfung pro Arbeitsplatz so zu verbessern, dass trotz knapper und teurer Arbeitskraft ein gedeihliches Wirtschaftswachstum möglich ist. Gerade mit ihr muss deshalb klug und pfleglich umgegangen werden. Tun wir dies in Deutschland?
Knappe Zeit:
Chance für Menschen ohne Bildung
Eines ist klar: Es wird immer Menschen geben, denen es nicht gelingt, eine Schule oder eine einfache Berufsausbildung abzuschließen. Die Gesellschaft sollte alles Verantwortbare unternehmen, um ihre Zahl klein zu halten, aber es wird sie trotzdem geben. Was passiert nun mit ihnen, den am wenigsten Kreativen, in der schönen neuen Welt der Knappheit der Innovationskraft? Bleiben sie allein und völlig verarmt zurück, angewiesen auf Sozialhilfe, oder werden auch sie teilhaben an der aufkommenden Vollbeschäftigung?
Zunächst gilt es festzuhalten: Phasen der allgemeinen Vollbeschäftigung waren in der Vergangenheit stets auch Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit unter Menschen ohne formale Bildung deutlich niedriger lag als in Phasen der Unterbeschäftigung. Der Grund ist einfach: Wenn die Hoch- und Normalproduktiven knapp und teuer werden, wird auch ihre Zeit knapp und teuer – und sie werden immer mehr Wege suchen, um Zeit zu sparen. Genau das ist die Chance für die Menschen ohne Bildung. Deshalb steigt in Phasen der Vollbeschäftigung die Anzahl der Hilfskräfte in den privaten Haushalten, aber auch in den Betrieben; und in Zeiten der Arbeitslosigkeit sind diese dann leider meistens die Ersten, die entlassen werden.
Ganz Ähnliches beobachten wir im Raum: In urbanisierten Regionen mit hoher Konzentration von Führungskräften und Leistungsträgern ist auch die Nachfrage nach unterstützenden Dienstleistungen relativ groß. Sinnbildlicher Extremfall dafür ist ein besonders merkwürdiger Beruf: der „dog walker“. Er ist in Metropolen wie New York und London, aber auch in deutschen Großstädten inzwischen weitverbreitet. Der „dog walker“ komplettiert die Lebenswelt der Führungskräfte, indem er das beiträgt, was diese nicht haben: die
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