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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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gab es schließlich auch für einzelne industriepolitische Initiativen. Typischerweise handelte es sich um solitäre Projekte, die durchaus beeindruckende Summen an Subventionen auf sich lenkten, im gesamtwirtschaftlichen Bild aber eher eine bescheidene Rolle spielten. Spektakulärstes Beispiel dafür ist der Aufbau einer europäischen Flugzeugindustrie mit dem Airbusprojekt, das Ende der 1960er-Jahre aus einer Mischung von politischem Prestige und wettbewerblicher Initiative zur Brechung des Quasi-Monopols amerikanischer Flugzeughersteller ins Leben gerufen wurde. Über dessen Erfolg lässt sich aus dem Blickwinkel von Verbrauchern und Steuerzahlern streiten, aber wie auch immer man dazu steht, war es in der gesamten Wirtschaftsgeschichte Deutschlands eher eine Randerscheinung. Die industrie- und technologiepolitische Abstinenz blieb in Deutschland die Regel, zumindest was die Konzentration auf einzelne Branchen betrifft.
    Spätestens seit der Jahrtausendwende gibt es diese Abstinenz für eine große und wichtige Branche der Wirtschaft nicht mehr: die Energieversorgung. Hier hat es in mehreren Stufen eine radikale Kursänderung gegeben, die ganz eindeutig von der Politik gewollt, initiiert und gesteuert wurde. Sie trägt inzwischen zu Recht den Namen „Energiewende“. Genau genommen müsste man sie stets als „schnelle“, „beschleunigte“ oder „forcierte“ Energiewende bezeichnen, um sie zu unterscheiden von einem eher marktwirtschaftlich getriebenen, evolutionären Wandel der Energieversorgung; wir bleiben aus Gründen der begrifflichen Einfachheit im Folgenden beim Begriff „Energiewende“.
    Klar ist natürlich, dass die Energiewirtschaft schon immer durch politische Zielsetzungen maßgeblich beeinflusst wurde. Auch der „Energiemix“, der sich über Jahrzehnte in Deutschland herausbildete, war durch politisch bestimmte längerfristige Energieversorgungspläne in der Grundrichtung vorgezeichnet – von der Dominanz der Kohle und dann des Erdöls über Erdgas und Kernkraft bis zu ersten Experimenten mit erneuerbaren Energien. Dies gilt vor allem für die intensive energiepolitische Diskussion, die im Zuge der Ölkrisen der 1970er- und 1980er-Jahre aufkam und zum Entstehen der Antikernkraftbewegung maßgeblich beitrug. Allerdings dominierte damals das Ziel der Versorgung in seinen zentralen ökonomischen Aspekten – Preis und Verfügbarkeit – die politischen Entscheidungen. In gewisser Weise folgte die Politik dem ökonomischen Kalkül der Energiewirtschaft, und dies tat sie vor allem auch, um Wirtschaft und Verbraucher möglichst verlässlich mit (preiswerter) Energie zu versorgen.
    Genau dieses „Primat“ der wirtschaftlichen Kalkulation gilt seit der Jahrtausendwende ganz eindeutig nicht mehr. Die Beschlüsse zum Ausstieg aus der Kernenergie – beginnend mit der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 und endend mit der schwarz-gelben Bundesregierung 2011 – sind dabei nur ein Element der veränderten politischen Prioritäten. Ein anderes, industriepolitisch weit wichtigeres Element ist der sukzessive Ausbau der Förderung von erneuerbarer Energie, wie er sich zunächst in Ansätzen im Stromeinspeisungsgesetz von 1991 und dann – grundsätzlich und wegweisend – im Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) niedergeschlagen hat. Das EEG – verabschiedet im Jahr 2000 und novelliert in den Jahren 2004 und 2009 – liefert in gewisser Weise die „Magna Charta“ für eine umfassend politisch lenkende Technologie- und Industriepolitik im Bereich der Energieversorgung, wie es sie noch nie gegeben hat. Eine Vielzahl anderer Länder sind dem deutschen Beispiel gefolgt und haben in der Stoßrichtung ähnliche, wenn auch zumeist nicht so weitreichende Gesetze verabschiedet. Die Europäische Union hat mit ergänzenden Richtlinien und Zielsetzungen diesen Prozess begleitet und maßgeblich unterstützt. Es ist deshalb nicht übertrieben, von einem der größten industrie- und technologiepolitischen Experimente der Wirtschaftsgeschichte zu sprechen. Dies gilt zumindest für Deutschland, die Europäische Union und einige weitere hoch entwickelte Industrieländer, vor allem Australien und Neuseeland.
    Uns interessiert die Energiewende in Deutschland mit Blick auf zwei zentrale Fragen: Wie wirkt sich diese Wende auf die Nutzung der mehr oder weniger knappen Produktionsfaktoren in unserer Wirtschaft aus? Und welche Rückwirkungen ergeben sich daraus für die Nachfrage nach Arbeit, Kapital und

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