Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
Innovationskraft? Wir können deshalb die Details des gesetzlichen Regelwerks getrost außer Acht lassen. Entscheidend sind für uns die volkswirtschaftlichen Folgen. Es genügt also eine Art intellektueller Holzschnitt, mit dem wir die wahrscheinlichen langfristigen Konsequenzen dieser Politik versuchen offenzulegen. Startpunkt ist dabei das überragende politische Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energie an der Energieversorgung in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten drastisch zu erhöhen – von heute knapp zwölf Prozent auf 20 Prozent im Jahr 2020 und 50 Prozent zur Mitte des Jahrhunderts. Noch zur Jahrtausendwende lag der Anteil unter vier Prozent. Es geht also um eine gewaltige Veränderung. Sie wird nur zu erreichen sein durch eine massive staatliche Lenkung, die sich im Wesentlichen auf drei Schwerpunkte konzentrieren muss: die Unterstützung von Produktion und Verbrauch regenerativer Energien; den Ausbau der Infrastruktur zum weiträumigen Transport und zur Speicherung der erzeugten Energie; und schließlich die Förderung des Einsparens von Energie.
Bei dem ersten dieser drei Schwerpunkte sind mit dem EEG wesentliche Weichen gestellt. Dies gilt zumindest für den wichtigen Bereich der Erzeugung von elektrischem Strom. Zweifellos hat diese Weichenstellung ihre Wirkung gehabt, wie die bereits erreichte Zunahme der Nutzung erneuerbarer Energien im letzten Jahrzehnt belegt. Auch im Landschaftsbild Deutschlands ist sie gut erkennbar. So sind die windreichen nord- und ostdeutschen Tiefebenen längst gut bestückt mit Windkraftanlagen; ein beträchtlicher Teil der landwirtschaftlichen Nutzflächen (derzeit etwa zehn Prozent) wird inzwischen zum Anbau von Ölsaaten verwendet, die wiederum zur Gewinnung von Treibstoff dienen; und immer mehr Dächer von Einfamilienhäusern, Wohnanlagen und gewerblichen Gebäuden sowie sonnenexponierte Hang- und Hochlagen des agrarwirtschaftlichen Brachlandes werden zur Installation von fotovoltaischen Solaranlagen zwecks Energiegewinnung eingesetzt. Parallel dazu sind ganz neue Industrien entstanden, die sich der Herstellung der benötigten Investitionsgüter widmen, allen voran Windkraftanlagen und Fotovoltaikzellen.
Ganz anders beim Ausbau der Infrastruktur, wo es noch einen gewaltigen Rückstand gibt. Denn es fehlt fast völlig an leistungsfähigen Stromtrassen für den Energietransport von Regionen mit günstigen zu solchen mit ungünstigen Bedingungen der lokalen Produktion von erneuerbarer Energie. Analoges gilt für die Energiespeicherung, also den Ausgleich von Angebot und Nachfrage über die Zeit. Denn es fehlt bislang noch an Pumpspeicherwerken und anderen technischen Lösungen, die es ermöglichen, die bei Wind und Sonne naturgemäß stark schwankende Energiezufuhr in eine gleichmäßige Abgabe an die Nachfrager zu transformieren. Hier steht Deutschland eigentlich erst ganz am Anfang der Entwicklung. Bisher ist auch nicht erkennbar, inwieweit Großinvestitionen in diesen Bereichen überhaupt von der betroffenen Bevölkerung akzeptiert werden. Jedenfalls sind die bisherigen Erfahrungen zum Beispiel mit der Planung von Stromtrassen und dem Ausbau von Pumpspeicherwerken (so etwa im Südschwarzwald) keineswegs ermutigend.
Ziemlich am Anfang steht Deutschland auch beim Energiesparen. Denn jenseits der Beseitigung grober Ineffizienzen, die relativ leicht fällt, bedarf es gerade im Lebensumfeld privater Haushalte einer neuen physischen Infrastruktur für das Energiesparen. Gemeint sind damit all jene technischen und baulichen Veränderungen, die nötig sind, damit eine massive Einsparung von Energie überhaupt technisch möglich wird beziehungsweise nicht allzu drastisch zulasten der Lebensqualität geht. Dazu zählen zum Beispiel die Wärme- und Kältedämmung des Wohnungsbestandes und die Entwicklung von neuen Formen der Motorisierung und Mobilität, die nicht mehr auf den Verbrennungsmotor zurückgreifen. Auch in dieser Hinsicht beginnt erst der Weg in eine „grüne“ Zukunft, und er erfordert massive Investitionsprogramme mit entsprechenden politischen Weichenstellungen der Kapitalumlenkung.
Was wird uns die Energiewende kosten? Klar ist: Wird sie wirklich konsequent durchgeführt, so handelt es sich bei ihr um das größte Programm der staatlichen Investitionslenkung, das es jemals in einer marktwirtschaftlichen Ordnung auf deutschem Boden gegeben hat. Ihre Kosten sind natürlich wegen der langen Zeiträume, um die es geht, und ihrer ungeheuer komplexen
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