Volle Deckung Mr. Bush
legte der CIA
einen detaillierten Bericht vor… Die Regierung der Vereinigten Staaten müßte mindestens vier Dokumente in ihrem Archiv
haben, die bestätigen, daß ich meinen Auftrag ausgeführt habe.
(Im Juli 2003 sagte Wilson außerdem: »Es läuft wirklich alles darauf hinaus, daß die Regierung bei einem Problem, das die
zentrale Rechtfertigung für die Führung eines Krieges war, die Tatsachen falsch dargestellt hat. Damit stellt sich die Frage, worüber sonst noch gelogen wird.«)
Das Weiße Haus ignorierte Wilsons Bericht und blieb bei
seiner Story. »Die Leute zuckten zusammen und dachten,
warum wiederholt ihr diesen Mist auch noch?«, bemerkte ein
Regierungsbeamter laut New York Times zu diesem Vorgang.
Die Dokumente aus dem Niger waren wahrlich lausig
gefälscht. Beispielsweise war der Außenminister, der eines der Dokumente »unterzeichnet« hatte, zum Zeitpunkt der
Unterzeichnung gar nicht mehr in der Regierung des Niger. Den amerikanischen oder britischen Urhebern der Lügengeschichte
war offensichtlich entgangen, daß er schon zehn Jahre zuvor aus dem Amt geschieden war.
Auch die »Aluminiumröhren« entpuppten sich als erfundene
Bedrohung. Am 27. Januar 2003 - einen Tag vor Bushs Rede zur Lage der Nation - informierte Mohamed El Baradei, der Chef
der Internationalen Atomenergiebehörde, den
Weltsicherheitsrat, daß bei den zweimonatigen Inspektionen im Irak keine Beweise für verbotene Aktivitäten an früheren nuklearen Produktionsstätten des Irak gefunden worden seien.
Außerdem sagte El Baradei, »daß die Aluminiumröhren für den
Bau von Zentrifugen ungeeignet sind, wenn sie nicht modifiziert
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werden«.
Laut Berichten in der Washington Post, in der Newsweek und in anderen Zeitschriften war die Behauptung, daß die Röhren
zur Produktion von Atomwaffen verwendet werden könnten,
schon früher von britischen und amerikanischen
Geheimdienstexperten angezweifelt worden. UN-Inspekteure
sagten, sie hätten Beweise gefunden, daß der Irak die Röhren für den Bau kleiner Raketen verwenden wollte und nicht für den
Bau von Atomwaffen. Auch hatten die Iraker nicht versucht, die Teile heimlich zu erwerben, denn ihre Bestellung war im
Internet einsehbar.
Mr. Bush jedoch ließ sich von diesen Tatsachen nicht irre
machen und hielt am 28. Januar 2003 vor fast 62 Millionen
Fernsehzuschauern seine aggressive Rede zur Lage der Nation:
»… Saddam Hussein versuchte kürzlich in Afrika
beträchtliche Mengen Uran aufzutreiben«, sagte er. »Stellen Sie sich jene neunzehn Flugzeugentführer mit anderen Waffen und
anderen Plänen vor - diesmal bewaffnet von Saddam Hussein.
Sie müßten nur eine einzige Phiole, einen Kanister, eine Kiste ins Land schmuggeln, um einen Tag des Schreckens über uns zu bringen, wie wir ihn noch nicht gesehen haben. Wir werden
alles in unserer Macht Stehende tun, damit dieser Tag nie
kommt.«
Am 16. März erschien Co-Präsident Dick Cheney in der NBC-
Sendung Meet the Press und verkündete dem Volk, daß Hussein
»mit größtem Eifer versucht hat, Atomwaffen zu erwerben. Und wir glauben, daß er tatsächlich wieder über Atomwaffen
verfügt .«
Drei Tage später zogen wir in den Krieg.
Im Frühjahr und Sommer 2003 nahm die Kritik an den Lügen
der Regierung über den Atomwaffenbesitz des Irak so stark zu, daß selbst Präsident Bush sie nicht mehr ignorieren oder Fragen
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zu dem Thema einfach vom Tisch fegen konnte. Zuerst
versuchte er, CIA-Direktor George Tenet zum Sündenbock zu
machen: »Die CIA hat die Rede des Präsidenten zur Lage der
Nation geprüft, bevor sie gehalten wurde«, mußte Tenet im Juli sagen. »Ich bin verantwortlich für die Überprüfung, die in
meinem Dienst stattfindet. Und […] der Präsident hatte allen Grund zu der Annahme, daß der ihm vorgelegte Text korrekt
war. Die sechzehn Wörter [über das afrikanische Uran] hätten in dem für den Präsidenten geschriebenen Text nie enthalten sein dürfen.«
Dann jedoch kamen Memoranden vom Oktober ans Licht, die
bewiesen, daß Tenets CIA das Weiße Haus gewarnt hatte, eine so unsinnige Behauptung aufzustellen. Das Weiße Haus hatte
den Rat zunächst beherzigt, ihn dann jedoch, insbesondere in der Rede zur Lage der Nation, mehrfach mißachtet. Zum nächsten
Sündenbock wurde Condoleezza Rice' Stellvertreter Stephen
Hadley erkoren. Er sagte, er hätte den Wortlaut von Bushs Januar-Rede abgesegnet. Dies wirkte so kläglich, daß Bush
schließlich auf einer
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