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Vollendet - Der Aufstand (German Edition)

Vollendet - Der Aufstand (German Edition)

Titel: Vollendet - Der Aufstand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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Schließlich sagt Roberta: »Wir suchen nicht nach einer Seelenverwandten, Cam, sondern nach einer, die eine Rolle ausfüllen kann. Einer Gefährtin, die dir den Weg in die Öffentlichkeit ebnet.«
    »Vielleicht will ich mich damit aber nicht begnügen.«
    »Eine praktische Entscheidung zu treffen heißt nicht, sich mit etwas begnügen zu müssen.«
    Cam schlägt mit der Faust auf den Tisch. »Meine Entscheidung! Du wirst mich nicht zwingen.«
    »Natürlich nicht … aber …«
    »Gespräch beendet.« Anschließend ist nur noch lauteres Klappern zu hören. Tief in seinem Innern weiß Cam, dass sie recht hat, und das macht ihn besonders wütend. Damit Robertas Plan aufgeht, braucht er nichts anderes als ein attraktives, sympathisches Mädchen, mit dem er Händchen haltend die Öffentlichkeit davon überzeugen kann, dass an ihm viel Liebenswertes ist. Aber er verspürt nicht mal die kleinste schauspielerische Veranlagung. Nach außen hin kann er vielleicht so tun, als ob, aber er fürchtet die Momente, in denen er allein mit ihr ist und die Leere einer unaufrichtigen Beziehung ertragen muss.
    Leere.
    Das, glauben die Menschen, ist in ihm. Eine große Leere.
    Wenn er unter den Mädchen, die man ihm vorstellt, keine Seelenverwandte findet, heißt das dann, dass sie alle recht haben und er keine Seele hat?
    »Unvollständig«, sagt er. »Wenn ich vollständig bin, warum habe ich dann das Gefühl, unvollständig zu sein?« Wie immer hat Roberta einen beruhigenden Allgemeinplatz parat. Doch ihre einstudierten Weisheiten wirken mit der Zeit schal.
    »Vollständigkeit erwächst aus Erfahrungen, die du allein gemacht hast, Cam«, sagt sie. »Lebe dein Leben, dann wirst du bald feststellen, dass das Leben derer, die vor dir waren, keine Rolle mehr spielt. Diejenigen, aus denen du hervorgegangen bist, bedeuten nichts verglichen mit dem, was du bist.«
    Aber wie soll er sein Leben leben, wenn er nicht einmal davon überzeugt ist, dass er eins hat? Die Angriffe während der Pressekonferenz quälen ihn noch immer. Wenn die menschliche Seele unteilbar ist, kann seine Seele doch nicht die Summe der Teile aller Jugendlichen sein, aus denen er hervorgegangen ist, oder? Wenn er nicht einer von ihnen ist, wenn er nicht sie alle ist, wer ist er dann?
    Bei dieser Frage wird Roberta ungeduldig. »Tut mir leid, aber mit unbeantwortbaren Fragen beschäftige ich mich nicht.«
    »Dann glaubst du nicht an die Seele?«, fragt Cam.
    »Das habe ich nicht gesagt, aber ich befasse mich nicht mit Dingen, zu denen es keine greifbaren Daten gibt. Wenn Menschen eine Seele haben, dann musst du auch eine haben. Das beweist schon der Umstand, dass du am Leben bist.«
    »Aber was ist, wenn in mir gar kein ›Ich‹ ist? Wenn ich nur aus Materie bestehe, die Bewegungen vollführt, ohne dass etwas dahintersteckt?«
    Roberta denkt über seine Worte nach oder tut zumindest so. »Wenn das der Fall wäre, würdest du diese Fragen wahrscheinlich nicht stellen.« Sie überlegt noch einen Augenblick. »Wenn du ein Hilfskonstrukt brauchst, dann stell es dir so vor: Ob das Bewusstsein uns von einer göttlichen Macht eingepflanzt oder ob es von unserem Gehirn hervorgebracht wird, kommt auf dasselbe hinaus. Wir sind.«
    »Bis wir nicht mehr sind«, fügt Cam hinzu.
    Roberta nickt. »Ja, bis wir nicht mehr sind.« Und sie lässt all seine Fragen unbeantwortet.

    Die Physiotherapie hat sich zu einem Training mit Maschinen, Gewichten und Cardiotrainern ausgewachsen. Kenny kommt für Cam einem Freund am nächsten, wenn man Roberta und die Wachleute nicht mitrechnet. Sie reden offen über Dinge, die er mit Roberta lieber nicht bespricht.
    »Die große Suche nach einer Freundin war wohl eine Pleite?«, fragt Kenny, während Cam auf dem Laufband trainiert.
    »Es wurde noch keine Gefährtin für die Kreatur gefunden«, sagt Cam mit Robertas Akzent.
    Kenny schmunzelt. »Du hast ein Recht darauf, wählerisch zu sein«, meint er. »Du solltest nur akzeptieren, was du wirklich willst.«
    Cams Trainingseinheit nähert sich dem Ende und das Laufband wird langsamer. »Und wenn ich nicht haben kann, was ich will?«
    »Dann musst du es erst recht einfordern«, rät ihm Kenny. »Dann kommt die Realität deinen Wunschvorstellungen vielleicht näher.«
    Klingt logisch, doch Cam fürchtet, dass ihm dieser Ratschlag nur die nächste Enttäuschung einbringt.
    An diesem Abend geht er allein zum Tischmonitor im Wohnzimmer und sieht sich Fotos an. Die meisten sind Zufallsbilder, mit denen Roberta

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