Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
Vom Netzwerk:
es.
    Im selben Moment, in dem Risa Lev unten auf dem roten Teppich entdeckt, erschüttert eine Explosion den Nordflügel des Schlachthauses. Sie dreht sich um, sieht den gesamten Gebäudetrakt zusammenbrechen. »Oh mein Gott! Oh mein Gott!«
    »Wir müssen weg!«, brüllt Dalton, aber ehe er sich überhaupt rühren kann, jagt eine zweite Explosion die Entlüftungsklappen wie Raketen gen Himmel. Unter ihren Füßen bröckelt das Dach und fällt in sich zusammen. Risa stürzt mit dem Rest der Band in den qualmenden Schlund. In diesem Augenblick kann sie nur an Connor denken und dass die Band seine Abschiedshymne nicht zu Ende gespielt hat.
    Lev steht in einem Regen aus Glassplittern. Er sieht das Dach einstürzen und die Band verschwinden. In ihm baut sich ein Heulen auf, das durch seinen Mund herausbricht, ein unmenschliches Geräusch, das einem unerträglichen, unbeschreiblichen Schmerz entspringt. Seine Welt hat wahrhaft ein Ende gefunden. Nun muss er die Sache durchziehen.
    Er zieht die Socke aus der Tasche und kramt nach den Zündern. Er entfernt die Papierchen auf der Rückseite und klebt sie sich auf die Handflächen. Sie sehen aus wie Stigmata, Wundmale Christi. Noch immer seinen Schmerz hinausschreiend, breitet er die Arme aus, bereit, ihn für immer zu vertreiben. Er steht da mit ausgestreckten Armen. Er steht da mit ausgestreckten Armen. Er steht da mit ausgestreckten Armen.
    Aber er bringt die Hände einfach nicht zusammen.
    Er will es. Er muss es. Aber es geht nicht.
    Mach, dass es weggeht. Bitte, mach doch jemand, dass das alles weggeht.
    Egal, wie er sich abmüht, egal, wie sehr er das Hier und Jetzt beenden will – etwas in ihm, ein stärkeres Ich, verhindert, dass er in die Hände klatscht. Sogar als Versager versagt er.
    Gott, lieber Gott, was mache ich hier? Was habe ich getan? Wie ist es so weit mit mir gekommen?
    Die Kids, die beim Lärm der Explosion auseinandergestoben sind, kehren zurück. Doch sie beachten Lev gar nicht, etwas anderes fesselt ihre Aufmerksamkeit.
    »Seht mal!«, ruft jemand. »Seht!«
    Lev dreht sich in die Richtung um, in die der Junge zeigt. Durch die zerstörten Glastüren des Schlachthauses tritt Connor. Nein, er stolpert. Sein Gesicht ist eine blutige Masse. Er hat ein Auge verloren. Sein rechter Arm ist zerfetzt. Aber er lebt!
    »Connor hat das Schlachthaus in die Luft gejagt!«, brüllt jemand. »Er hat es in die Luft gejagt und uns alle gerettet!«
    Da taucht ein Wachmann auf. »Zurück in die Schlafsäle. Alle! Sofort!«
    Keiner rührt sich.
    »Habt ihr nicht gehört!«
    Da versetzt ein Junge dem Wachmann einen rechten Haken, der ihn um die eigene Achse wirbeln lässt. Der Wachmann zieht seine Betäubungspistole und schießt dem Jungen in den Arm. Er wird bewusstlos, doch die anderen Kids reißen dem Wachmann die Waffe aus der Hand und schießen damit auf ihn. Genau, wie Connor es einst getan hat.
    Das Gerücht, der Flüchtling aus Akron hätte das Schlachthaus in die Luft gesprengt, zuckt wie ein Blitz durch das Happy Jack, und innerhalb von Sekunden wächst sich der Ungehorsam zu einer Revolte aus. Die Schrecklichen werden ihrem Spitznamen endlich gerecht. Die Wachleute schießen, doch sie haben für so viele Kids schlicht zu wenig Betäubungsmunition. Als die Wachleute überwältigt sind, stürmt die Menge den Haupteingang.
    Connor weiß von alldem nichts. Er weiß nur, dass er in das Gebäude geführt wurde und etwas geknallt hat. Jetzt ist er nicht mehr im Gebäude. Mit seinem Gesicht stimmt etwas nicht. Es tut weh. Es tut richtig weh. Er kann den Arm nicht bewegen. Der Boden schwankt unter seinen Füßen. Seine Lunge schmerzt. Als er hustet, tut es noch mehr weh.
    Er stolpert die Stufen hinunter. Da sind Kids. Jede Menge Kids. Wandler. Genau, er ist ein Wandler. Connor kann sich keinen Reim darauf machen. Die Kids rennen. Sie kämpfen. Dann geben Connors Beine nach, und er liegt am Boden. Sieht über sich die Sonne.
    Er möchte schlafen. Er weiß, hier ist nicht der richtige Ort dafür, aber er will es trotzdem. Alles an ihm ist feucht und klebrig. Läuft ihm die Nase?
    Da steht ein Engel über ihm, ganz in Weiß.
    »Nicht bewegen«, sagt der Engel. Connor erkennt seine Stimme.
    »Lev. Wie geht’s …?«
    »Schsch.«
    »Mir tut der Arm weh«, sagt Connor träge. »Hast du mich wieder gebissen?«
    Da tut Lev etwas Merkwürdiges: Er zieht sich das Hemd aus und reißt es entzwei. Eine Hälfte des zerrissenen Hemdes drückt er Connor ins Gesicht. Es tut jetzt

Weitere Kostenlose Bücher