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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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Hintern, als ihr gucken könnt.«
    Kaum sind die beiden durch die Tür verschwunden, hat der Wachmann sie schon wieder vergessen. Er hat keine Ahnung, dass sie zwar ins Treppenhaus gegangen sind, aber nie vorhatten, der Band Essen zu bringen, sondern ihre Teller einfach abgestellt haben. Und die kleinen runden Pflaster an ihren Handflächen sind ihm gar nicht aufgefallen.

64. Connor
    Connor sieht aus dem Schlafsaalfenster. Er ist am Boden zerstört. Lev ist in Happy Jack. Wie er hergekommen ist, spielt keine Rolle. Eine Rolle spielt nur, dass Lev umgewandelt wird. Es war alles umsonst. Angesichts dieser Sinnlosigkeit überkommt Connor das Gefühl, dass sein Innerstes bereits herausgeschnitten und verscherbelt worden ist.
    »Connor Lassiter?«
    Als er sich umdreht, stehen zwei Wachleute in der Tür. Die meisten Jugendlichen haben den Schlafsaal verlassen und sind auf dem Weg zum Nachmittagssport. Diejenigen, die noch da sind, werfen erst den Wachleuten, dann Connor einen kurzen Blick zu, sehen dann weg und beschäftigen sich mit etwas anderem.
    »Ja? Was ist?«
    »Du wirst in der Ernteklinik erwartet«, sagt der erste Wachmann. Der andere kaut nur schweigend auf seinem Kaugummi herum.
    Connor schießt als Erstes durch den Kopf, dass es nicht das sein kann, wonach es klingt. Vielleicht hat Risa die beiden geschickt. Vielleicht will sie ihm etwas vorspielen. Immerhin hat sie jetzt, da sie in der Band ist, mehr Einfluss als andere Wandler, oder etwa nicht?
    »Die Ernteklinik«, echot Connor. »Wofür?«
    »Na ja, sagen wir mal: Du wirst Happy Jack heute verlassen.«
    Der andere Wachmann kaut lautstark auf seinem Kaugummi herum.
    »Verlassen?«
    »Komm schon, Junge, müssen wir es dir buchstabieren? Du bist ein Problem. Zu viele Kids sehen zu dir auf, das ist in einem Ernte-Camp nicht erwünscht. Also hat die Verwaltung entschieden, sich des Problems anzunehmen.«
    Sie packen Connor an den Armen.
    »Nein! Nein! Das können Sie nicht tun.«
    »Wir können und wir werden. Es ist unser Job, und ob du es uns schwer machst oder nicht, passieren wird es auf jeden Fall.«
    Connor schaut sich um, ob von den anderen Jugendlichen Hilfe zu erwarten ist – vergeblich. »Auf Wiedersehen, Connor«, sagt einer, aber er kann ihn dabei nicht ansehen.
    Der Kaugummi kauende Wachmann macht einen verständnisvolleren Eindruck. Vielleicht kann Connor zu ihm durchdringen. Er sieht ihn flehend an, und der Mann hört einen Augenblick mit dem Kauen auf. Er überlegt kurz. »Ich habe einen Freund, der braune Augen sucht, weil seine Freundin seine nicht mag«, sagt er dann. »Er ist ein anständiger Kerl – du könntest es schlechter treffen.«
    »Was?«
    »Manchmal bekommen wir was billiger«, sagt er. »Einer der Vorteile unseres Jobs. Ich will ja nur, dass du deinen Seelenfrieden findest. Deine Augen landen jedenfalls nicht bei einem Proleten.«
    Der andere Wachmann drängelt. »Wir müssen los.« Sie ziehen Connor mit sich. Er versucht sich innerlich bereit zu machen, aber wie bereitet man sich auf so etwas vor? Vielleicht haben sie ja recht. Vielleicht stirbt man gar nicht. Vielleicht ist es nur eine andere Art des Lebens. Es könnte okay sein – oder? Oder?
    Wie ist es wohl für einen zum Tode Verurteilten, wenn er zu seiner Hinrichtung geführt wird? Wehrt er sich? Wenn Connor auf dem Weg zum Schlachthaus schreit und tobt, was würde ihm das nützen? Jetzt, da seine Zeit auf Erden als Connor Lassiter zu Ende geht, sollte er sie besser nutzen. Er sollte würdigen, wer er war – nein! Wer er immer noch ist! Er sollte seine letzten Atemzüge genießen, solange er seine Lungen noch unter Kontrolle hat. Er sollte bei jeder Bewegung das Anspannen und Entspannen seiner Muskeln spüren, er sollte das Happy Jack mit seinen eigenen Augen sehen und die Bilder in seinem Gehirn speichern.
    »Hände weg, ich gehe allein«, befiehlt er. Die Wachleute lassen ihn sofort los, überrascht von der Entschlossenheit in seiner Stimme. Er rollt die Schultern und macht sich locker. Der erste Schritt ist der schwerste, aber er beschließt, von nun an weder zu rennen noch zu trödeln. Er wird nicht zittern und nicht kämpfen. Er wird diesen letzten Gang seines Lebens sicheren Schrittes zurücklegen. Und in ein paar Wochen wird irgendwo irgendjemand die Erinnerung an diesen jungen Mann im Kopf haben, der immer er selbst gewesen ist und der seiner Umwandlung aufrecht und würdevoll entgegengeblickt hat.

65. Klatscher
    Wer kann schon sagen, was im Kopf eines

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