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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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es dir eigentlich nicht zeigen, aber du solltest es sehen. Du musst verstehen, was alles passiert ist.«
    Es ist das Titelblatt einer Zeitschrift.
    Mit Levs Gesicht darauf.
    Nicht in der Zeitschrift, sondern auf dem Cover. Das Foto wurde aufgenommen, als er in der siebten Klasse war. In seinem Baseballtrikot, eine Hand im Baseballhandschuh, lächelt er in die Kamera. Die Schlagzeile lautet: Warum, Lev, warum? In der ganzen Zeit, die er hier allein immer und immer wieder über seine Taten nachgedacht hat, ist ihm nie der Gedanke gekommen, dass die Welt da draußen dasselbe getan haben könnte. Er will diese Aufmerksamkeit nicht, aber offenbar ist die Welt schon per Du mit ihm.
    »Du bist auf dem Titelblatt von so gut wie jeder Zeitschrift gewesen.«
    Das will Lev überhaupt nicht wissen. Hoffentlich hat Pastor Dan nicht eine ganze Sammlung in der Tasche. »Na und?« Er tut so, als wäre ihm das herzlich egal. »Klatscher kommen immer in den Nachrichten.«
    »Die Zerstörung, die sie anrichten, kommt in den Nachrichten. Aber niemand interessiert sich für den Klatscher. Für die Öffentlichkeit sind alle Klatscher. Du bist anders, Lev. Du bist ein Klatscher, der nicht geklatscht hat.«
    »Ich wollte es tun.«
    »Wenn du es gewollt hättest, dann hättest du es auch getan. Stattdessen bist du in die Trümmer gerannt und hast vier Leute herausgeholt.«
    »Drei.«
    »Drei – aber wahrscheinlich wärst du noch mal reingegangen, wenn du es geschafft hättest. Die anderen Zehntopfer haben sich alle vornehm zurückgehalten und ihre wertvollen Körper bewahrt. Du dagegen hast den Rettungstrupp praktisch angeführt, denn es waren normale Wandler, die dir gefolgt sind und die Überlebenden herausgeholt haben.«
    Lev erinnert sich. Sogar als die ersten Kids das Tor nach draußen durchbrachen, gingen Dutzende von Wandlern mit ihm in das zerstörte Gebäude. Und Pastor Dan hat recht: Lev hätte weitergemacht, wenn ihm nicht der Gedanke gekommen wäre, dass eine falsche Bewegung ihn zur Explosion und das Schlachthaus vollends zum Einsturz bringen würde. Deshalb kehrte er zurück auf den roten Teppich und wartete bei Risa und Connor, bis die Notärzte sie abholten. Und dann, inmitten des Chaos, gab er zu, ein Klatscher zu sein. Er gestand es immer wieder, jedem, der bereit war, ihm zuzuhören, bis sich endlich ein freundlicher Polizist fand, der ihn verhaftete. Aus Angst vor einer Detonation verzichtete er sogar darauf, Lev Handschellen anzulegen. Wobei Lev nicht die Absicht hatte, sich der Verhaftung zu widersetzen.
    »Was du getan hast, Lev, hat die Leute verwirrt. Sie fragen sich, ob du ein Monster bist oder ein Held.«
    Lev denkt darüber nach. »Gibt es auch noch eine dritte Möglichkeit?«
    Pastor Dan antwortet nicht. Vielleicht, weil er die Antwort nicht weiß. »Ich muss daran glauben, dass alles aus gutem Grund geschieht – die Entführung, dass du ein Klatscher geworden bist, dass du dich geweigert hast zu klatschen.« Er blickt auf das Zeitschriftencover in seiner Hand. »Das hat alles so viel bewirkt. Jahrelang waren Wandler gesichtslose Kids, die keiner wollte – du hast dem Wandler jetzt ein Gesicht gegeben.«
    »Können die mein Gesicht nicht jemand anderem geben?«
    Wieder gluckst Pastor Dan, und diesmal klingt es nicht so gezwungen wie zuvor. Er sieht Lev an wie einen ganz normalen Jungen, nicht wie ein Monster. Einen Moment lang fühlt sich Lev auch so. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, denn nicht einmal in seinem alten Leben war er jemals ein normaler Junge. Das sind Zehntopfer nie.
    »Und was geschieht jetzt?«
    »Soweit ich es verstehe, spülen sie in den nächsten Wochen den größten Teil des Sprengstoffs aus deinem Blut. Du wirst dann immer noch explosiv sein, aber nicht mehr so stark wie vorher. Du kannst klatschen, so viel du willst. Kontaktsportarten würde ich an deiner Stelle aber eine Weile meiden.«
    »Und dann wandeln sie mich um?«
    Pastor Dan schüttelt den Kopf. »Klatscher wandeln sie nicht um, denn das Zeug bekommt man nie völlig aus dem Körper heraus. Ich habe mit deinem Anwalt gesprochen. Er vermutet, dass sie dir einen Handel anbieten. Immerhin hast du sie auf die Spur der Gruppe gebracht, die dir die Transfusionen verpasst hat. Die haben dich nur benutzt, und sie werden bekommen, was sie verdienen. Dich wird das Gericht wohl eher als Opfer betrachten.«
    »Ich wusste, was ich tue«, sagt Lev.
    »Dann sag mir, warum du es getan hast.«
    Lev öffnet den Mund, findet aber keine Worte.

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