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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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der Junge hat etwas an sich, das es einem unmöglich macht, ihn nicht zu mögen.
    Connor setzt sich neben Hayden, der sich erst einmal mit einem Blick vergewissert, ob Roland hinter seinem Regal verschwunden ist.
    »Dein ›Hübsche-Socken‹-Trick gefällt mir«, sagt er. »Was dagegen, wenn ich ihn mal anwende?«
    »Nur zu!«
    Hayden zupft ein Stück Fleisch aus der Dose und bietet es Connor an. Obwohl es das Letzte ist, auf das Connor gerade Lust hat, nimmt er es, weil er weiß, dass es nicht um das Fleisch geht – so wie er weiß, dass Hayden die Dose nicht genommen hat, weil er sie wollte.
    Das Stück industriell verarbeiteter Schinken wandert von Hayden zu Connor. Ich bin auf deiner Seite, sagt es. Ich halte dir den Rücken frei.
    »Wolltet ihr das Baby?«, fragt Hayden.
    Connor überlegt, wie er antworten soll. Vermutlich ist die Wahrheit die beste Art, auch eine vorläufige Freundschaft zu beginnen. »Es ist nicht meins.«
    Hayden nickt. »Cool, dass du mit ihr zusammen bist, obwohl das Kind nicht von dir ist.«
    »Es ist auch nicht ihres.«
    Hayden grinst. Er fragt nicht, wie sie zu dem Baby gekommen sind, denn offenbar ist die Erklärung, die er sich in seinem Kopf ausgedacht hat, sehr viel unterhaltsamer, als alles, was Connor ihm erzählen könnte. »Erzähl Roland nichts davon. Er ist nur deshalb so nett zu euch, weil er an die Unantastbarkeit der Familie glaubt.«
    Connor kann nicht sagen, ob Hayden es ernst meint oder ironisch. Vermutlich wird er es nie erfahren.
    Hayden futtert den letzten Rest, schaut in die leere Dose und seufzt: »Mein Leben als Morlock.«
    »Sollte mir das was sagen?«
    »Lichtempfindliche Wesen, die unter der Erde hausen und oft in schlechten Kostümen aus grünem Plastik dargestellt werden. Das ist aus uns geworden – traurig, aber wahr. Abgesehen natürlich von dem Plastikkostüm.«
    Connor schaut zu den Regalen mit den Dosen hinüber. Wenn er angestrengt lauscht, hört er einen blechernen Rhythmus aus dem altertümlichen MP3-Player, den Roland wahrscheinlich bei seiner Ankunft oben geklaut hat.
    »Wie lange kennst du Roland schon?«
    »Drei Tage länger als du«, sagt Hayden. »Kleiner Tipp – auch wenn du ihn nicht hören willst –, Roland ist erträglich, wenn er denkt, dass er das Sagen hat. Solange du ihn in diesem Glauben lässt, sind wir alle eine große, glückliche Familie.«
    »Und wenn ich nicht will, dass er das denkt?«
    Hayden wirft die leere Dose in den Mülleimer, der ein paar Schritte entfernt steht. »Interessanterweise gelten die Morlocks als Kannibalen.«
    In der ersten Nacht kann Connor nicht schlafen. Im Keller ist es unbequem, und sein Misstrauen gegenüber Roland ist so groß, dass er nur immer mal wieder ein paar Augenblicke eindöst. Er will aber auch nicht zu Risa in den Nebenraum. Dort ist es sehr eng, und sie müssten direkt nebeneinander liegen. Natürlich redet er sich ein, der wahre Grund wäre, dass er einfach Angst habe, das Baby in der Nacht zu erdrücken. Auch Mai und Hayden sind wach. Mai versucht wohl zu schlafen, aber ihre Augen sind offen, und sie ist mit den Gedanken weit weg.
    Hayden hat eine Kerze angezündet, die er im Müll gefunden hat, sodass der Modergeruch des Kellers jetzt vom Zimtduft überlagert wird. Hayden bewegt seine Hand über der Flamme hin und her, nicht so langsam, dass er sich verbrennt, aber doch so langsam, dass er die Hitze spürt. Er bemerkt Connors Blick: »Schon komisch. Die Flamme verbrennt einem die Hand nur, wenn man zu langsam ist«, sagt er. »Du kannst sie ärgern, so viel du willst, sie kriegt dich nicht, wenn du schnell genug bist.«
    »Bist du Pyromane?«, fragt Connor.
    »Du verwechselst Langeweile mit Besessenheit.«
    Doch Connor spürt, dass mehr dahintersteckt.
    »Ich habe über Leute nachgedacht, die umgewandelt werden«, sagt Hayden.
    »Warum?«
    »Weil er verrückt ist«, mischt Mai sich von der anderen Seite des Raums ein.
    »… sagt die Frau mit dem Hundehalsband!«
    Mai zeigt Hayden den Stinkefinger, aber er ignoriert sie. »Ich habe darüber nachgedacht, dass Ernte-Camps so was wie Schwarze Löcher sind. Niemand weiß, was dort passiert.«
    »Jeder weiß, was dort passiert«, widerspricht Connor.
    »Nein«, sagt Hayden. »Jeder kennt das Ergebnis, aber niemand weiß, wie das Umwandeln funktioniert. Passiert es gleich oder lassen sie dich warten? Behandeln sie dich freundlich oder eher kühl?«
    »Vielleicht hast du ja Glück und erfährst es bald aus erster Hand«, höhnt

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