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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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Mai.
    »Wisst ihr was?«, sagt Connor. »Ihr denkt zu viel.«
    »Irgendjemand muss den Mangel an Hirnschmalz hier unten ja ausgleichen.«
    Jetzt versteht Connor endlich. Hayden spielt inzwischen nicht mehr mit der Kerze, aber über das Umwandeln zu reden ist für ihn nichts anderes, als seine Hand durch die Flamme zu bewegen. Er sucht die Nähe gefährlicher Orte. Oder gefährlicher Gedanken. Connor erinnert sich an seinen Lieblingsplatz hinter dem Autobahnschild. Irgendwie sind sie sich ähnlich.
    »Prima«, meint Connor. »Denk ruhig über so was nach, bis dir der Schädel platzt. Ich beschäftige mich lieber damit, wie ich bis achtzehn überlebe.«
    »Ich finde deine Oberflächlichkeit erfrischend und enttäuschend zugleich. Meinst du, das bedeutet, ich brauche eine Therapie?«
    »Ich glaube, du brauchst eine Therapie, weil deine Eltern dich umwandeln lassen wollen, nur um sich gegenseitig zu ärgern.«
    »Da ist was dran. Für einen Morlock bist du ganz schön schlau.« Dann schweigt Hayden. Sein Grinsen verschwindet. »Ich glaube, wenn ich wirklich umgewandelt werde, kommen meine Eltern wieder zusammen.«
    Connor bringt es nicht übers Herz, diese Hoffnung zu zerstören, Mai dagegen schon: »Garantiert nicht. Wenn du umgewandelt wirst, schieben sie sich gegenseitig die Schuld zu und hassen sich noch mehr.«
    »Vielleicht«, sagt Hayden. »Aber vielleicht kommen sie ja auch zur Besinnung, und dann gibt’s einen neuen Humphrey Dunfee.«
    »Einen neuen was?«, fragt Mai.
    Beide Jungs drehen sich zu ihr um. Hayden lächelt breit: »Hast du etwa noch nie von Humphrey Dunfee gehört?«
    Mai schaut argwöhnisch in die Runde: »Hätte ich das?«
    Hayden lächelt nach wie vor. »Ich bin echt erstaunt, Mai. Du kennst ihn nicht? Seine Geschichte ist wie für dich gemacht.« Er greift nach der Kerze und schiebt sie in die Mitte. »Nicht gerade ein Lagerfeuer, aber es muss genügen.« Hayden schaut einen Moment in die Flamme, dann richtet er den Blick fast gespenstisch langsam auf Mai.
    »Vor ein paar Jahren gab es einen Jungen namens Humphrey. Er hieß in Wirklichkeit gar nicht so, sondern wahrscheinlich Hal oder Harry, aber Humphrey passt, wenn man darüber nachdenkt. Egal, eines Tages unterschreiben seine Eltern die Umwandlungsverfügung.«
    »Warum?«, fragt Mai.
    »Warum unterschreiben überhaupt irgendwelche Eltern die Verfügung? Sie haben es eben getan. Die JuPos kommen und holen ihn in aller Herrgottsfrühe ab, bringen ihn weg und dann ist es aus und vorbei mit ihm. Er wird umgewandelt.«
    »Und das ist alles?«
    »Nein … Die Sache hat nämlich einen Haken«, nimmt Connor die Geschichte von Hayden auf. »Die Dunfees sind nicht besonders standhafte Menschen. Sie waren wohl schon immer ein bisschen verrückt, aber nachdem ihr Sohn umgewandelt ist, drehen sie vollkommen durch.«
    Von Mais harter Fassade ist nichts mehr übrig. Sie hat sich in ein kleines Mädchen verwandelt, das mit großen Augen einer Geschichte lauscht. »Was haben sie gemacht?«
    »Sie beschließen, dass sie Humphreys Umwandlung nun doch nicht wollen«, sagt Hayden.
    »Moment, du hast doch gesagt, sie hätten ihn schon umgewandelt!«
    Haydens Augen wirken im Kerzenlicht wie die eines Wahnsinnigen. »Haben sie auch.«
    Mai schaudert.
    »Die Sache ist nämlich die«, fährt Hayden fort. »Wie gesagt, man weiß nichts über die Ernte-Camps, alles ist geheim, sogar die Daten, wer was erhält, wenn die Umwandlung vollzogen ist.«
    »Ja, und?«
    »Die Dunfees haben die Daten gefunden. Ich glaube, der Vater arbeitete für die Regierung, deshalb konnte er sich in die Teile-Abteilung hacken.«
    »In die was?«
    Hayden seufzt. »Die Nationale Umwandlungsdatenbank.«
    »Ach so.«
    »Und er holt sich die persönlichen Daten von jedem, der einen Teil von Humphrey bekommen hat. Dann reisen die Dunfees durch die Welt und suchen die Leute … um sie zu töten und die Teile zurückzuholen und Humphrey Stück für Stück wieder zusammenzusetzen …«
    »Niemals!«
    »Deshalb nennt man ihn Humphrey«, fügt Connor hinzu. »Wie heißt es in dem Gedicht: ›Auch der König mit all seinen Mannen … brachte Humphrey nicht mehr zusammen‹.«
    Die darauffolgende Stille hängt schwer im Raum, bis sich Hayden über die Kerze beugt, beide Hände zu Mai hin ausstreckt und laut »Buhhh!« ruft.
    Alle zucken unwillkürlich zusammen, vor allem Mai.
    Connor muss lachen. »Hast du gesehen? Sie ist fast aus der Haut gefahren!«
    »Mach das lieber nicht, Mai«, sagt Hayden.

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