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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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von dem ihre Eltern nichts wissen sollen.
    »Wir verleihen Geld und nehmen dafür Wertsachen. Und wir machen keine Geschäfte mit Minderjährigen. Wenn du etwas kaufen willst, in Ordnung, aber du kannst hier nichts verpfänden, also verscherbel deine Baseballkarten woanders.«
    »Wer hat gesagt, dass ich Baseballkarten habe?«
    Dann langt der Junge in die Tasche und zieht ein Armband aus Gold und Diamanten heraus.
    Dem Pfandleiher fallen beim Anblick des Schmuckstücks fast die Augen aus dem Kopf. Dann lacht er. »Was denn, hast du das deiner Mami geklaut, Kleiner?«
    Die Züge des Jungen bleiben hart wie Diamant. »Wie viel geben Sie mir dafür?«
    »Wie wäre es mit einem kräftigen Fußtritt?«
    Noch immer zeigt der Junge nicht den Hauch von Angst oder Enttäuschung. Stattdessen legt er das Armband mit fürstlicher Anmut auf den abgewetzten Holztresen.
    »Nimm das Ding einfach wieder mit und geh nach Hause!«
    »Ich bin ein Wandler.«
    »Was?«
    »Sie haben es gehört.«
    Das bringt den Pfandleiher völlig aus dem Konzept, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens geben Wandler, die in seinem Laden auftauchen, das niemals zu. Zweitens sind sie immer verzweifelt und wütend, und der Kram, den sie zu verkaufen haben, ist bestenfalls minderwertig. Keiner war je so ruhig, wirkte so … engelsgleich.
    »Du bist ein Wandler?«
    Der Junge nickt. »Das Armband ist gestohlen, aber nicht hier in der Gegend.«
    Wandler geben auch nie zu, dass sie etwas gestohlen haben. Die Kids haben immer eine sorgfältig ausgearbeitete Geschichte parat, wer sie sind und warum sie etwas verpfänden wollen. Der Pfandleiher hört sie sich wegen ihres Unterhaltungswertes an. Wenn eine Geschichte gut ist, wirft er das Kind nur aus dem Laden. Ist sie schlecht, ruft er die Polizei. Der Junge hier hat keine Geschichte. Er kommt mit der Wahrheit. Der Pfandleiher weiß nicht genau, wie er damit umgehen soll.
    »Also«, sagt der Junge. »Sind Sie interessiert?«
    Der Pfandleiher zuckt nur die Schultern. »Wer du bist, ist deine Sache. Wie ich schon gesagt habe, mache ich keine Geschäfte mit Minderjährigen.«
    »Vielleicht machen Sie ja eine Ausnahme.«
    Der Pfandleiher taxiert den Jungen, taxiert das Armband und vergewissert sich dann mit einem Blick zur Tür, dass niemand in den Laden kommt. »Ich höre.«
    »Ich will fünfhundert Dollar in bar. Jetzt. Dann gehe ich, als wären wir uns nie begegnet, und Sie können das Armband behalten.«
    Der Pfandleiher setzt sein einstudiertes Pokerface auf. »Machst du Witze? Für diesen Ramsch? Vergoldet, Zirkon statt Diamant, schlechte Verarbeitung – ich gebe dir hundert Dollar, keinen Penny mehr.«
    Der Junge sieht ihm fest in die Augen. »Sie lügen.«
    Natürlich lügt der Pfandleiher, aber das lässt er sich nicht gern vorwerfen. »Ich kann dich auch gleich den JuPos übergeben.«
    Der Junge nimmt das Armband vom Tresen. »Das könnten Sie«, sagt er. »Aber dann bekommen nicht Sie das Armband, sondern die Polizei.«
    Der Pfandleiher streicht sich über den Bart. Vielleicht ist der Knabe nicht so naiv, wie er aussieht.
    »Wenn es Ramsch wäre«, sagt der Junge, »hätten Sie mir nicht hundert Dollar dafür geboten. Dann hätten Sie mir gar nichts geboten.« Er betrachtet das Armband in seinen Händen. »Ich habe wirklich keine Ahnung, was so etwas wert ist, aber es sind bestimmt mehrere Tausend. Ich will nur fünfhundert haben. Das bedeutet, egal, was es wert ist, für Sie bleibt immer noch ziemlich viel Gewinn.«
    Der Pfandleiher hat sein Pokerface abgelegt. Ständig starrt er das Armband an. Er muss sich zusammenreißen, um sich sein Interesse nicht anmerken zu lassen. Er weiß, was es wirklich wert ist, oder zumindest ahnt er es. Er kennt einen Hehler, der ihm fünfmal so viel dafür gibt, wie der Junge haben will. Das wäre ein guter Gewinn. Es würde reichen, mit seiner Frau den langen Urlaub zu machen, den sie sich schon immer gewünscht hat.
    »Zweihundertfünfzig. Das ist mein letztes Gebot.«
    »Fünfhundert. Sie haben drei Sekunden, dann gehe ich. Eins … zwei …«
    »Abgemacht.« Der Pfandleiher seufzt, als würde er sich schweren Herzens geschlagen geben. »Du bist ein harter Verhandlungspartner, Junge.« So läuft das Geschäft: Er muss seinem Gegenüber das Gefühl geben, dass er gewonnen hat, obwohl er in Wahrheit abgezockt wird. Der Pfandleiher greift nach dem Armband, doch der Junge zieht es weg.
    »Erst das Geld.«
    »Der Safe ist im Hinterzimmer – ich bin gleich wieder

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