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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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verbergen. Er hätte sich eine Waffe machen sollen, wie die, die Roland in diesem Moment sicher bei sich hat. Er hätte sich wappnen müssen für den Kampf auf Leben und Tod, der unvermeidbar ist. Aber er hat es nicht getan, und jetzt ist es zu spät.
    Er hat keine Zeit zum Nachdenken, lässt sich von seinen Instinkten leiten und gibt seinem Drang zu kämpfen nach. Er dreht sich zu einem von Rolands Handlangern um und schlägt ihm so hart ins Gesicht, dass er blutet, sich vielleicht sogar die Nase gebrochen hat. Die Wucht des Schlags wirbelt ihn zur Seite. Ehe er sich zu einem Gegenangriff sammeln kann, packt eine Tarnkappe Connor und stößt ihn gegen die Betonwand. Genau das hat Connor beabsichtigt.
    »Für diesen Scheiß hast du dir den falschen Tag ausgesucht!«, faucht Connor und hält dem Mann die Waffe auf die Brust.
    »Was wollen Sie denn machen, mich töten vielleicht? Ich dachte, Sie wollen uns retten.«
    Das lässt sein Gegenüber einen Augenblick innehalten.
    »He!«, brüllt ein anderer. »Vergiss ihn! Wir müssen weiter verladen.« Dann schnappt er sich einen anderen Jungen, um das Quartett mit Roland und seinen Handlangern vollzumachen, und bringt sie zu ihrem Container, ohne die blutende Nase des Jungen weiter zu beachten.
    Der Mann, der Connor gegen die Wand drückt, grinst ihn spöttisch an. »Je früher du in der Kiste bist, desto früher darf sich jemand anders mit dir herumschlagen.«
    »Hübsche Socken«, sagt Connor.
    Sie stecken ihn in einen gut ein mal zwei Meter großen Container, in dem bereits drei Jungs warten. Die Tür wird verriegelt, ehe Connor überhaupt sehen kann, wer mit ihm drin sitzt. Hauptsache, es ist nicht Roland.
    »Wir werden alle hier drin umkommen«, sagt eine näselnde Stimme, gefolgt von einem Schniefen, das nicht klingt, als würde es die Nase frei machen. Connor erkennt den Knaben an seinem Rotz. Er weiß nicht genau, wie er heißt, aber die anderen nennen ihn nur »den Maulbrüter«, weil er wegen seiner verstopften Nase ständig den Mund offen hat – kurz MB oder Emby. Er ist der, der wie besessen immer denselben Comic gelesen hat. Hier drin kann er nicht lesen.
    »Red nicht so einen Quatsch«, sagt Connor. »Wenn die Tarnkappen uns umbringen wollten, hätten sie es längst getan.«
    Der Maulbrüter hat schlimmen Mundgeruch, der bald den ganzen Container erfüllt. »Vielleicht ist man ihnen auf die Schliche gekommen. Vielleicht sind die JuPos unterwegs, und sie können sich nur retten, indem sie die Beweise zerstören!«
    Für Heulsusen hat Connor nichts übrig. Sie erinnern ihn zu sehr an seinen kleinen Bruder, den seine Eltern lieber behalten wollten als ihn. »Halt’s Maul, Emby, oder ich schwöre, ich ziehe mir die Socken aus und stopfe sie dir in deinen stinkenden Mund, damit du endlich lernst, durch deine Nase zu atmen!«
    »Falls du noch eine Socke brauchst, gib mir Bescheid«, sagt eine Stimme ihm gegenüber. »Hallo, Connor. Hayden.«
    »Hi, Hayden.« Connor tastet nach Haydens Schuh und drückt ihn, die einzige Begrüßung, die in der Enge und Dunkelheit möglich ist. »Also, wer ist die glückliche Nummer vier?« Keine Antwort. »Klingt nach einem Pantomimen.«
    Wieder folgt Stille, dann sagt eine tiefe Stimme mit starkem spanischem Akzent: »Diego.«
    »Diego redet nicht viel«, sagt Hayden.
    »Dachte ich mir fast.«
    Sie warten schweigend. Zu hören ist nur das Schniefen des Maulbrüters.
    »Ich muss mal aufs Klo«, murmelt Emby.
    »Daran hättest du aber wirklich denken müssen, ehe wir los sind«, sagt Hayden in mütterlichem Tonfall. »Wie oft muss ich dir das noch sagen? Immer schön aufs Töpfchen gehen, ehe du in einen Luftfrachtcontainer steigst.«
    Von draußen hören sie mechanische Geräusche, dann spüren sie eine Bewegung.
    »Das gefällt mir nicht«, wimmert Emby.
    »Der Container bewegt sich«, sagt Hayden.
    »Wahrscheinlich ein Gabelstapler«, vermutet Connor. Die Tarnkappen sind bestimmt schon über alle Berge. Was hat der Mann vorhin noch mal gesagt? Je früher du in der Kiste bist, desto früher darf sich jemand anders mit dir herumschlagen. Wer auch immer mit ihrem Transport beauftragt wurde, hat wahrscheinlich keine Ahnung, was in den Containern ist. Bald sind sie an Bord eines Flugzeugs und werden weiß Gott wohin gebracht. Bei dem Gedanken fällt Connor der Rest seiner Familie ein und die Urlaubsreise auf die Bahamas, die sie nach Connors Umwandlung machen wollten. Ob sie wohl trotzdem gefahren sind? Würden sie Urlaub machen,

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